Deutlich mehr Schlaganfall-Patienten als bisher sollten eine Lyse-Therapie erhalten. Das ist die Kernaussage der weltweit größten Thrombolyse-Studie IST-3 und einer Meta-Analyse mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten, die vor Kurzem im renommierten Fachblatt The Lancet veröffentlicht wurden.

"Diese Daten untermauern unsere Empfehlung, die Lyse noch mehr in der Routine-Therapie zu verankern", kommentiert Professor Martin Grond, Vorstandsmitglied sowohl der DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) als auch der DSG (Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft). "Bisher sucht man eher nach Gründen, die Lyse nicht durchzuführen - wir sollten aber eher die Lyse als Standard betrachten, statt die indizierten Patienten zu selektieren."

Auch Risiko-Patienten profitieren

Mit der Lyse lösen Neurologen in den Stroke-Units nach einem Schlaganfall einen Thrombus im Gehirn auf, der zum Hirninfarkt geführt hat. Die Entscheidung für diese Therapie erfordert eine ausführliche Untersuchung des Patienten, damit keine unerwünschten Nebenwirkungen wie verstärkte Blutungen auftreten.

Die Studien belegen nun, dass eine Lyse-Therapie mit dem Wirkstoff Alteplase auch dann mit ausreichender Sicherheit anwendbar ist, wenn die Entscheidung für oder gegen diese Therapie durch die bisherige Zulassung nicht abgedeckt ist.

Bei einem Teil der Patienten, die davon ausgeschlossen sind, werden ähnliche Erfolgsraten wie bei Standardindikationen erreicht. Dies gilt zum Beispiel für Patienten mit schweren Schlaganfällen oder bei Patienten, die aufgrund ihres Alters über 80 Jahre nicht entsprechend behandelt werden dürfen.

Die IST-3-Studie

In den Jahren 2000 und 2011 wurden insgesamt 3.035 Schlaganfall-Patienten aus zwölf Ländern in die IST-3-Studie (International Stroke Trial 3) aufgenommen. 53 Prozent der Probanden waren über 80 Jahre alt. 1.515 Personen wurden mit Alteplase, dem rekombinanten Tissue Plasminogen Activator rt-PA (0,9 mg/kg), behandelt, 1.520 wurden der Kontrollgruppe zugeordnet.

Das Zeitfenster zwischen dem Auftreten der ersten Symptome bis zur Lyse wurde von bisher 4,5 Stunden auf sechs Stunden ausgedehnt. Primäres Ziel der Studie war es, nach sechs Monaten die Anzahl der überlebenden Patienten zu bestimmen, die auch in der Lage waren, den Alltag weitestgehend selbstständig zu bewältigen.

Nach diesem Zeitraum waren 37 Prozent in der rt-PA-Gruppe und 35 Prozent in der Kontrollgruppe am Leben und konnten sich selbst versorgen. Durch die Lyse-Therapie konnte somit im primären Endpunkt keine signifikante Verbesserung erzielt werden. Der größte Nutzen zeigte sich bei Patienten, die innerhalb von drei Stunden behandelt wurden.

Nutzen in den ersten 90 Minuten nach dem Schlaganfall am größten

Schlaganfall-Experte Werner Hacke, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, weist darauf hin, "dass der Nutzen einer Thrombolyse-Therapie in den ersten 90 Minuten nach dem Schlaganfall am größten ist".

Generell sollten alle Schlaganfallpatienten eine adäquate und möglichst frühzeitige Thrombolyse-Therapie erhalten. (red, derstandard.at, 17.7.2012)