Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes kontrolliert die Namen von Palästinensern, die ihre Verwandten im israelischen Gefängnis besuchen.

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Israel hat am Montag zum ersten Mal seit fünf Jahren Palästinensern aus dem Gazastreifen den Besuch von Familienmitgliedern in israelischen Gefängnissen erlaubt. "Heute bin ich sehr glücklich", sagte der 68-jährige Kamal al-Aishe am Abend nach dem Besuch seines 37-jährigen Sohnes Mahmud. "Ich habe ihn seit sechs Jahren nicht gesehen. Er ist wohlauf."

25 palästinensische Häftlinge haben Besuch von 40 Familienmitgliedern aus dem Gazastreifen empfangen. Schon vor Sonnenaufgang mussten sich die Besucher vor einem Bus des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) einfinden. "Um 3 Uhr morgens bin ich von zu Hause weg. Den Checkpoint haben wir aber erst zu Mittag hinter uns gebracht", erzählte Aishe.

Sein Sohn sei früher Taxifahrer gewesen. Aber auch politisch aktiv. Bis ihn israelische Soldaten am Checkpoint festgenommen haben. "Für mich gibt es keinen Grund dafür. Sie haben ihn bloß mitgenommen, weil er bei der Hamas ist." Die Hamas hat in der Vergangenheit wiederholt Anschläge auf israelische Zivilisten verübt. Sie wird von Israel für den Raketenbeschuss durch andere Milizen aus dem Gazastreifen verantwortlich gemacht, weil sie dort an der Macht ist.

Kurzes Wiedersehen

Das Wiedersehen mit seinem Sohn sei sehr schön gewesen, jedoch viel zu kurz, sagt Aishe. "45 Minuten, das reicht nicht nach sechs Jahren." Besonders schmerzhaft sei dabei die physische Distanz zwischen ihm und seinem Sohn gewesen. Getrennt durch eine Glaswand konnten sie nur über den Hörer miteinander sprechen. Mahmud habe sich über nichts im Gefängnis beschwert.

Die Grenzen des Gazastreifens stehen seit dem Jahr 2007 unter strenger israelischer Blockade, als die islamistische Hamas nach dem internationalen Boykott ihres demokratisch errungenen Wahlsiegs im Jahr 2006 die Kontrolle übernahm und später den israelischen Soldaten Gilad Shalit entführte, der mittlerweile wieder frei ist. Der Personenverkehr in den Gazastreifen wird seit 2007 nur in Ausnahmefällen zugelassen und der Import von Gütern unterliegt strikten Beschränkungen, was mitunter auch die Arbeit von Hilfsorganisationen behindert. Als Teil der Blockade wurde auch der Besuch von Familienmitgliedern in israelischer Haft verboten.

Laut der Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde, Sivan Weizman, wird sich das nun ändern. Wöchentlich sollen ähnliche Besuche erlaubt werden. Auch das Rote Kreuz hofft auf eine Trendwende. "Das ist ein erster Schritt. Wir hoffen, dass die Besuche bald wieder ganz aufgenommen werden", erklärte der Bürochef des IKRK in Israel und den palästinensischen Gebieten, Juan Pedro Schaerer.

Abkommen

Die Besuche aus dem Gazastreifen sind Teil des Abkommens zwischen palästinensischen Häftlingen und Israel, das nach dem Hungerstreik von rund 1.550 Häftlingen im Mai geschlossen wurde. Palästinenser feierten die Zugeständnisse Israels als Sieg. Kamal al-Aishe glaubt jedoch nicht daran, dass er seinen Sohn jetzt regelmäßig besuchen darf. "Der einzige Gewinner dieser Besuchswelle ist Israel. Sie wollen der Weltöffentlichkeit und den Medien zeigen, wie human sie sind", sagt er. (Andreas Hackl, derStandard.at, 17.7.2012)