"Die Masse soll mit Kleinbeträgen ein Projekt unterstützen. Bei Crowdfunding geht es nicht um einen großen Förderer, sondern um viele kleine, die auch einen Nutzen davon haben", erklärt Denis Bartelt beim Werbeplanung.at Summit zu Beginn des Panels "Crowdfunding" den Begriff. Bartelt ist Mitbegründer von startnext.de. Die deutsche Plattform will vor allem Künstler wie Musiker, Filmemacher, Designer, Fotografen, Autoren oder auch Menschen im Forschungsbereich helfen, ihre Projekte durch viele einzelne Personen finanzieren zu lassen.

Beziehung zwischen Geben und Nehmen

Bartelt: "Das Wichtigste beim Crowdfunding ist, sich in einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Budgetziel zu stecken". Wenn das Ziel nicht erreicht wurde und man es nicht geschafft hat, genug Menschen zu aktivieren, dann gehe das Geld im Normalfall wieder zurück. Crowdfunding sei also eine "ganz klare Beziehung zwischen Geben und Nehmen". Als Benefit für alle, die Geld geben, gibt es eine Gegenleistung. Diese sei oft Teil des Produkts. Das könnten Webtickets sein, eine DVD, die entsteht oder auch ein Besuch auf dem Filmset.

Wichtig bei einen Crowfunding-Projekt seien auch die Multiplikatoren. Hier sieht Bartelt die Chance, dass Unternehmen, die Projekte unterstützen, dafür Marketing betreiben und diese Projekte sozusagen sichtbar machen.

Demokratisierungsprozess

Claudia Pelzer ist Medienberaterin, Medienökonomin und Betreiberin der Plattform crowdsourcingblog.de. Ihr Blog bietet neben aktuellen Berichten zum Thema auch ein umfangreiches Verzeichnis von verschiedensten Crowdsourcing-Plattformen nach Kategorien geordnet an.

Crowdfunding ist ein Unterbereich von Crowdsourcing. Sie verweist auch auf andere Spielformen wie zum Beispiel Microtask. Hier gehe es um Arbeitsbereiche, die leicht ausgelagert werden und an die Masse der Internetznutzer weitergegeben werden können.

Diese Formen werden auch im gemeinnützigen Bereich eingesetzt. Sie erzählt von einem Projekt aus Finnland. Dort sei die finnische Nationalbibliothek anhand eines Onlinespiels gemeinsam mit Usern digitalisiert worden. Pelzer: "Die Leute machen mit, weil sie Spaß am Spiel haben und die Aktion unterstützen wollen."

Gut funktionieren würden auch Projekte, die der Gemeinschaft zugute kommen, wie zum Beispiel wheelmap.org. Diese Plattform funktioniert anhand eines Mapping-Systems, die Crowd informiert darüber, welche Locations mit dem Rollstuhl zugänglich sind oder nicht. Auch wissensbasierte Plattformen machen sich die Crowd zunutze. Das bekannteste Projekt hier ist freilich Wikipedia.

Generell finde durch Crowdsourcing ein "Riesenprozess der Demokratisierung statt", sagt Pelzer. Die Crowd greife in alle Wertschöpfungsbereiche ein. Pelzer: "Sie kann gemeinsam die Idee zu einem Projekt liefern, sie kann Projekte vermarkten, sie kann einzelne Komponenten beisteuern und sie kann für die Finanzierung sorgen."

Aufklärungsarbeit

Viele Unternehmen würden sich aber noch scheuen, ihre Prozesse offenzulegen und andere Menschen hineinzulassen, etwas Macht abzugeben. Hier sei noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Generell könnten Unternehmen mit Crowdsourcing eine große Außenwirkung erzielen. Es werde noch immer positiv gesehen, wenn Menschen von außen oder auch Mitarbeiter in Prozesse einbezogen werden.

Matching

Wie finanziert man Gründer, wie kann man Start Ups finanzieren? Diese Frage stellte sich auch Jens-Uwe Sauer. Er ist Gründer und Geschäftsführer von seedmatch.de. Das Unternehmen hat sich auf Crowdfunding für StartUps spezialisiert und konnte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Euro für 16 Start-Ups sammeln.

Sauer: "Die Gründer fragen sehr viel Finanzierung nach, bekommen sie aber nicht. Auf der anderen Seite gibt es sehr viel Kapital im deutschsprachigen Raum." Die Schwierigkeit sei das Matching. Es gehe darum, beide Seiten zusammenbringen. Aus Investorensicht bekomme man die Möglichkeit, sich an spannenden Start-Ups zu beteiligen. 

"Game-Changer"

Crowdfunding sei ein "Game-Changer". Auch Sauer betont den Demokratisierungseffekt. "Die Crowd bestimmt mit ihrem Kapital, was auf den Markt kommt". Wie sollen Start-Ups so ein Crowdfunding-Projekt angehen? "Das Wichtigste ist das Storytelling. Man sollte ein Alleinstellungsmerkmal haben. Man sollte etwas Neues machen, etwas das Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann."

Als Beispiel bringt er das Team Sugarshape, das Projekt hat Anfang des Jahres 100.000 Euro eingesammelt, Investoren können sich ab 250 Euro beteiligen. Das Besondere am Crowdfunding sei, dass man nicht nur Kapital sammle. Man bekomme interessierte Fans, die bereit sind, das Projekt in den Markt zu tragen. Sauer: "Es geht nicht um einen oder drei Angels, sondern um viele, die das Produkt gut finden und empfehlen". Die Crowd könne so eine virale Wirkung entwickeln.

Aus rechtlichen Gründen ist seedmatch.de derzeit nur in Deutschland geöffnet. Das Unternehmen will aber auch bald in Österreich und dann in der Schweiz aktiv sein, kündigt er an. Außerdem will man für die Zukunft die Finanzierungssumme pro Projekt erhöhen, sie ist derzeit auf 100.000 Euro beschränkt.

Filmfinanzierung durch Crowdfunding

Der Filmemacher Gregor Schmidinger hat es geschafft, ein Projekt via Crowdfunding zu realisieren. Sein aktueller Kurzfilm "Homophobia" wurde mithilfe der Crowd realisiert. Der 23-minütige Film feierte vor rund zwei Monaten im Wiener Gartenbaukino Premiere. "Crowdfunding bringt nicht nur Geld, sondern ist auch ein Marketingmechanismus, den man nutzen kann", sagt Schmidinger.

Im September 2011 hat er auf der amerikanischen Plattform Indiegogo eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Ziel sei gewesen, 6.000 Dollar zu sammeln. Innerhalb von 69 Tagen kamen 10.100 Dollar herein, erzählt er.

Schmidinger: "139 Unterstützer haben im Schnitt je 79 Dollar gezahlt." 4.500 Menschen hätten die "Homophobia"-Crowdfunding-Page angeklickt, jeder 32. davon hat das Projekt unterstützt.

Und was hatten die Spender davon? Ab einer Unterstützung von 25 Dollar bekam man den Film als HD-Download und eine digitale Version des Produktionstagebuchs. Ab einer Spende von 50 Dollar wurden sie in den Produktionsprozess miteinbezogen, erzählt er. In einer privaten Facebook-Gruppe konnten die Unterstützer zum Beispiel mitreden, was die Gestaltung des Posters oder das Casting anbelangt. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 15.7.2012)