Von dem ehemaligen KGB-Offizier Wladimir Putin ist der Spruch überliefert: "Einmal Tschekist, immer Tschekist." Die Tscheka - Abkürzung für Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage - ist die Vorläuferin des KGB. Sie wurde Ende 1917 von den Bolschewiken gegründet, um den sich abzeichnenden Widerstand gegen ihre totalitäre Machtausübung zu ersticken - mit buchstäblich allen Mitteln.

Knapp 95 Jahre später geht über Russland zu Beginn der dritten Amtsperiode Putins als Präsident eine Serie von Gesetzen nieder, die den Geist der Tscheka atmen. Neben den drastisch erhöhten Geldstrafen für Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und für Verleumdung sowie verschärften Kontrollmöglichkeiten im Internet ist das NGO-Gesetz von besonderer Perfidie: Es verpflichtet aus dem Ausland (teil-)finanzierte Stiftungen und Organisationen, sich offiziell als "ausländische Agenten" zu bezeichnen.

Damit wird das in der russischen Psyche tief verwurzelte Gefühl bedient, inmitten einer feindlichen Umwelt zu leben. Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen, die für eine Zivilgesellschaft unentbehrlich sind, aber in Russland selbst kaum finanzielle Ressourcen haben, geraten in ein existenzielles Dilemma. Das Schlimmste aber ist, dass der bekennende Tschekist Putin offenbar wirklich glaubt, er könne Russland unter diesen Bedingungen modernisieren. (Josef Kirchengast, DER STANDARD Printausgabe, 14.7.2012)