Für Nicolaus Schafhausen ist der Kunsthallen-Pavillon am Karlsplatz "so ein Glasding, bei dem man nicht sieht, welche Funktion es hat". Mit der Bezeichnung "Project Space" hat er größere Probleme. Und Kunst im öffentlichen Raum sieht er skeptisch.

Foto: Kunsthalle Wien / Anja Kouznetsova

Warum ihn der Pavillon am Karlsplatz besonders reizt, erklärt er im Gespräch mit Thomas Trenkler.

STANDARD: Sie begannen Ihre Karriere als Künstler. Was hat Sie bewogen, die Seite zu wechseln - und Galerist, später Kurator zu werden?

Schafhausen: Freunde, die ich ausgestellt habe. 1990/91 habe ich aufgehört, selber Kunst zu produzieren. Ich lebte damals in Brüssel und bekam ein Stipendium für das Künstlerhaus Bethanien in Berlin. Westberlin hatte ich als grauenvoll empfunden, aber nun, nach dem Mauerfall, war die Situation eine ganz andere. Es war eine dynamische Zeit. Ich entwickelte mit einem Künstlerkollegen Ausstellungs- und Vermittlungskonzepte, die es in der Form noch nicht gab. Das war nicht als kommerzielle Galerie geplant, aber es wurde eben eine solche, auch weil wir die Projekte finanzieren mussten. So wurde ich innerhalb von zwei Jahren Kurator. Und mit 29 Jahren leitete ich dann bereits meine erste öffentliche Institution.

STANDARD: Treten Sie als Kurator Künstlern mit mehr Respekt entgegen, weil Sie Künstler waren?

Schafhausen: Ich beobachte natürlich, wie die Kolleginnen und Kollegen arbeiten - und sehe da auch Unterschiede. Gott sei Dank, denn Kuratieren hat etwas mit Autorenschaft zu tun. Aber ob ich nun mit mehr Respekt vorgehe? Ich glaube, der "böse Kurator" ist nur ein Gespenst, eine reine Behauptung. Als Künstler habe ich keine negativen Erfahrungen mit Kuratoren gemacht. Ich kenne auch keine Künstler, die den Kurator als Gegner sehen. Ein Beispiel: Isa Genzken hat mich als jüngerer Mensch sehr beeindruckt. Wenn ich mich mit ihr heute unterhalte, spielt es überhaupt keine Rolle, welche Funktion jemand hat.

STANDARD: Als Kurator des deutschen Pavillons für die Kunstbiennale Venedig 2007 präsentierten Sie Isa Genzken. Jasper Sharp, Österreichs Kommissär 2013, schickt Mathias Poledna ins Rennen ...

Schafhausen: Den hab ich bereits gezeigt. Poledna war 2006 eine meiner ersten Ausstellungen im Witte de With - und es war eine fantastische Ausstellung.

STANDARD: Hat Österreich Chancen auf den Goldenen Löwen?

Schafhausen: Ach, das ist von so vielen Faktoren abhängig. Poledna ist natürlich eine gute Wahl. Aber die Strategie hat mich schon überrascht: Dass Österreich nach Markus Schinwald Mathias Poledna zeigt. Die beiden sind die gleiche Altersgruppe.

STANDARD: 2004 zeigten Sie Schinwald im Frankfurter Kunstverein. Sie kennen die österreichische Szene gut. Wen hätten Sie, ganz spontan, für Venedig nominiert?

Schafhausen: Schwere Frage. Generell: Außerhalb von Österreich würde ich gerne einmal mit Franz West zusammenarbeiten.

STANDARD: Gegenüber der "Zeit" meinten Sie, dass Sie davon träumen, ein großes Museum mit viel Geld zu übernehmen. Ist die Kunsthalle Wien daher nur Durchgangsstation?

Schafhausen: Ich bin 47, hab erst die Hälfte meines Berufsleben hinter mir. Wenn man etwas bewirken will, geht das nicht von heute auf morgen. Der Vertrag läuft fünf Jahre mit Option auf Verlängerung. Das finde ich richtig. Aber 20 Jahre will ich hier nicht bleiben.

STANDARD: Der Traum vom großen Haus bleibt also?

Schafhausen: Na ja, die Kunsthalle ist kein winziges Haus. Man hat mit einer Kunsthalle, die okay aufgestellt ist, zurzeit mehr Handlungsfreiheit als mit einem großen zeitgenössischen Museum. Die Arbeit ist daher hier fast noch spannender.

STANDARD: Ist die Subvention von knapp vier Millionen Euro okay?

Schafhausen: Im internationalen Vergleich schon. Aber die vier Millionen reichen nicht. Wir müssen versuchen, möglichst viel privatwirtschaftliches Geld zu generieren - in politisch korrekten Verhältnissen. Ich will nicht jeden Sponsor akzeptieren müssen.

STANDARD: Wer wäre inakzeptabel?

Schafhausen: Jene, die quasi Ausstellungen diktieren. Wenn man Programme zusammen mit Sponsoren entwickeln muss: Das interessiert mich nicht.

STANDARD: Werden Sie Ursula Blickle bitten, die Kunsthalle wieder zu fördern? Sie sitzen ja im Vorstand der Blickle-Stiftung.

Schafhausen: Aber natürlich! Ursula Blickle versteht sich weder als Sammlerin noch als Sponsorin, sie will Projekte fördern. Von solchen Personen gibt es leider nur wenige. Ich habe ihr geraten, nicht gleichzeitig das 21er-Haus und die Kunsthalle zu fördern, sondern die Video- und Film-Aktivitäten auf eine Institution in Wien zu konzentrieren. Und das Kino im 21er-Haus bietet sich geradezu an. Das war aber vor meiner Bestellung. Ich werde ihr nun ein neues Projekt vorschlagen.

STANDARD: Ihr Vorgänger Gerald Matt sah es als Nachteil, dass die Kunsthalle versteckt hinter der historistischen Fassade liegt. Wie beurteilen Sie die örtliche Situation im Museumsquartier?

Schafhausen: Das ist ja häufig der Fall, dass zeitgenössische Kunst an Orten kommuniziert wird, die mal eine andere Funktion hatten. Denn was soll man mit solchen Orten machen? Daher gibt es eine beschränkte Sichtbarkeit - und man muss sich mehr anstrengen, um das zeitgenössische Programm hinter der alten Fassade sichtbar zu machen. Natürlich wäre es besser, wenn es einen zeitgenössischen Solitär gäbe - wie in der kleinen Version am Karlsplatz.

STANDARD: Bei Ihrer Vorstellung sagten Sie, der Project Space am Karlsplatz sei als Haus sichtbarer, aber vom Programm her weit unsichtbarer. Ihre Strategie?

Schafhausen: Der Pavillon ist eigenartig unterdimensioniert für den Platz. Ich wusste bisher nicht, dass die ehemalige Kunsthallen-Schachtel derart abgelehnt wurde. Und jetzt hat man da so ein Glasding, bei dem man nicht sieht, welche Funktion es hat. Ich hab zudem Probleme mit der Bezeichnung "Project Space". Anglizismen im öffentlichen Raum müssen nicht sein. Zudem: Das ist kein Projektraum! Es gibt neue fantastische nichtinstitutionelle Orte für Projekte. Man sollte die Projekte solchen Orten überlassen.

STANDARD: Was dann?

Schafhausen: Man kann dort aufgrund der Größe und der klimatischen Bedingungen ja nicht alles machen. Den Ort mit Inhalt derart aufzuladen, dass die Öffentlichkeit davon erfährt: Das reizt mich. Ich werde eine Lösung finden!

STANDARD: Der Karlsplatz dient regelmäßig für Kunst im öffentlichen Raum. Könnte der Pavillon eine Basis für KÖR werden?

Schafhausen: Dieser Pavillon ist ja schon, so wie er da steht, Kunst im öffentlichen Raum. Eine Verdoppelung also? Da bin ich skeptisch. Kunst im öffentlichen Raum ist ein Nachkriegsbegriff, er muss neu definiert werden. Ich glaube, man kann sich von solchen Projekten in der jetzigen Form verabschieden.

STANDARD: 2010 hatte die Kunsthalle 167.350 Besucher. Welches Potenzial sehen Sie?

Schafhausen: Zwischen zehn und 400.000 Besuchern. Mit explizit zeitgenössischen Produktionen Öffentlichkeit herzustellen ist immer schwieriger als mit Bekanntem. Bei Unbekanntem muss man sich als Besucher überwinden. Das gilt selbst für Franz West oder Heimo Zobernig: Die sind für viele im Kunstbereich die bekanntesten lebenden österreichischen Künstler. Aber gilt das auch für die breite Masse? Nein!

STANDARD: Was planen Sie nun?

Schafhausen: Dafür ist es jetzt noch zu früh. Mich interessiert eine enge gesellschaftliche Thematik.

STANDARD: Also zum Beispiel eine Ausstellung zu Migration?

Schafhausen: Der Begriff hatte einst eine Relevanz, ist aber heute völlig überkommen. Wir müssen über Superdiversität sprechen: Mit unserer gesellschaftlichen Vielschichtigkeit positiver umgehen lernen. Das schließt Migration und Globalisierung selbstverständlich mit ein.

STANDARD: Wann wollen Sie sich als Kurator in Wien vorstellen?

Schafhausen: Im späten Frühjahr 2013. Aber ab Herbst 2012 stellen wir bereits neue Programme vor.

STANDARD: Können Sie sich vorstellen, Matt als Kurator zu holen?

Schafhausen: Na klar! Nicht für die erste Ausstellung natürlich, aber grundsätzlich schon. Er ist ja kein Rentner. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 14./15.7.2012)