Rom - Genau vor einem halben Jahr - am 13. Jänner - kenterte die Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio mit 4.200 Passagieren und Crew-Mitgliedern an Bord, darunter 77 Österreichern. Mindestens 30 Menschen starben. Am 21. Juli ist der zweite sogenannte Beweissicherungstermin in der toskanischen Stadt Grosseto geplant. Angeklagte, Anwälte und Angehörige der Opfer fiebern der Anhörung entgegen. Zu ihnen zählt auch die Mailänder Rechtsanwältin Manuela Cigna. Sie verteidigt einen Oberösterreicher, Vizepräsident der Costa Concordia-Betreiberfirma, Costa Crociere, gegen den wegen Verdachts der Beihilfe zur fahrlässigen Tötung ermittelt wird.

"Mein Mandant wird an der Anhörung nicht teilnehmen, sondern durch seine Anwälte vertreten sein. Er ist wegen der Ermittlungen gegen ihn überrascht. Er und alle Mitglieder der Costa-Kriseneinheit haben alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um das Leben der Passagiere zu retten", sagte die Rechtsanwältin.

Schlechte Koordinierung bei Rettungsaktion

Die ermittelnden Staatsanwälte werfen dem österreichischen Vizepräsidenten Mängel bei der Koordinierung der Rettungsaktion an Bord des Schiffes vor. Der Beschuldigte soll Kapitän Francesco Schettino "keine angemessenen Lösungen" bei der Bewältigung des Notstands vorgeschlagen haben, verlautete es aus Justizkreisen. Außerdem habe er die Hafenbehörde in der toskanischen Stadt Livorno über die Zustände an Bord nicht klar informiert. Der Oberösterreicher, der für die technischen Operationen der Costa-Flotte zuständig ist, stand in der Nacht des Schiffbruchs in telefonischem Kontakt mit Bordoffizier Manrico Giampietroni, der mehrere Menschen gerettet hatte und 36 Stunden nach der Havarie lebend aus dem Schiff geborgen wurde.

Langes Verfahren erwartet

Rechtsanwältin Cigna rechnet mit einem langen Verfahren. Anfang März bestellte die Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio Fachleute, die jetzt berichten sollen, was die Auswertung der Black-Box der "Costa Concordia" über den Hergang in dieser Unglücksnacht ergab. Sie brauchen jedoch mehr Zeit, so dass sich die Vorbereitungsphase des Prozesses weiter hinziehen dürfte. "Daher wird der Beweissicherungstermin am 21. Juli sofort auf September vertagt", meinte Cigna. Der Termin ist wie bereits im vergangenen März im städtischen Theater Grossetos geplant, da der Gerichtssaal im Justizpalast der Stadt wegen des hohen Andrangs an Anwälten und Passagieren unzureichend sein dürfte.

Trotz der gegen ihn laufenden Ermittlungen sei ihr Mandant nach wie vor im Dienst, sagte Cigna. "Er trägt keinerlei Verantwortung für die Tragödie. In jener Nacht hat er den Umständen entsprechend bestmöglich gehandelt", versicherte die Anwältin. Ähnliche Vorwürfe werden auch gegen Kollegen des Oberösterreichers, Krisenstabschef Roberto Ferrarini sowie Flotten-Inspekteur Paolo Parodi, erhoben. Ermittlungen laufen dazu gegen Kapitän Schettino und vier Offiziere der Kommandobrücke der Costa Concordia.

Manager am Pranger

"Wir sind der Ansicht, dass der Manager als Mitglied der Kriseneinheit der 'Costa Concordia' in der Nacht des Unglücks nicht alles Notwendige unternommen hat, um den Schiffskapitän beim Ergreifen der richtigen Beschlüsse in der Notstandslage zu unterstützen", sagte der ermittelnde Staatsanwalt Francesco Verusio kürzlich. "Die Costa-Manager hätten den Kapitän zu einer bestimmten Verhaltensweise aufrufen müssen, haben es aber nicht getan. Hätte die Kriseneinheit anders gehandelt, wären die Dinge in der Nacht des Unglücks anders verlaufen", meinte Verusio. (APA, 13.7.2012)