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Nach der Saatgutrichtlinie der EU müssen alle Sorten, die in den Handel kommen, in einem kostspieligen Verfahren zugelassen und in einem amtlichen Register eingetragen werden.

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Wien/Luxemburg - Europas Bauern dürfen selbst Saatgut aus alten, amtlich nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vermarkten. Die umstrittene EU-Richtlinie verbiete dies nicht, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil. Im Ausgangsfall war ein bäuerliches Netzwerk von einem industriellen Saatgut-Hersteller aus Frankreich auf 50.000 Euro Schadenersatz verklagt worden, weil die Bauern mit amtlich nicht zugelassenem Saatgut handelten.

Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag festgestellt, dass frei gehandeltes Saatgut registriert sein muss bzw. nicht katalogisiertes Saatgut nicht großflächig vermarktet werden darf. Die entsprechende EU-Richtlinie bleibe aufrecht. Gleichzeitig weisen die Richter darauf hin, dass es eine Ausnahmeregelung in einer weiteren EU-Richtlinie gibt, wonach nicht-registrierte alte Saatgutsorten regional in einer geringen Menge gehandelt werden dürfen.

Mehr Spielraum gefordert

"Das reicht uns nicht aus. Wir wollen mehr Spielraum für Handel und Tausch", sagte Heike Schiebeck, Europa-Sprecherin für Saatgut und Biodiversität der Kleinbauernvereinigung "Via Campesina". Altes Saatgut werde in eine Nische verdrängt. Der geografische und quantitative Umfang falle zu gering aus. "Das ist völlig unverständlich, weil Saatgut immer schon um den ganzen Erdball wanderte - in Europa gäbe es ansonsten nur Rüben und Erbsen." Die Mengenbeschränkung für altes Saatgut belaufe sich auf 0,3 bis 0,5 Prozent einer ähnlichen registrierten Art, "Beispiel Paprika", so Schiebeck.

Ebenso kritisierte die Bäuerin aus dem Bezirk Völkermarkt in Kärnten die "Erhaltungssortenrichtlinie", die das alte Saatgut erlaubt, "weil jener, der eine Sorte anmeldet, das Verfügungsrecht über diese erhält": "Das ist leider das selbe, wie bei den kommerziellen Sorten, über die nicht jeder verfügen kann."

Ursprünglich war das bäuerliches Netzwerk Kokopelli aus Frankreich - laut Schiebeck ein Pendant zur österreichischen Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung "Arche Noah" - vom industriellen Saatgut-Hersteller Graines Baumaux auf 50.000 Euro Schadenersatz verklagt worden, weil die Bauern mit amtlich nicht zugelassenem Saatgut handeln.

Alte Sorten machen Klimaänderungen mit

Nach der Saatgutrichtlinie der EU, die der EuGH heute bestätigte, müssen alle Sorten, die in den Handel kommen, in einem kostspieligen Verfahren zugelassen und in einem amtlichen Register eingetragen werden. Bäuerliche Saatgut-Netzwerke erfüllen diese Voraussetzungen für die Zulassung ihrer alten Sorten zwar nicht, regional dürfen sie die Sorten aber handeln, verwies der EuGH auf die Ausnahmeregel.

Das Registrieren der bäuerlichen Sorten sei viel zu teuer, argumentiert Schiebeck: "Wir brauchen die alten Saatgutsorten, die sich gut anpassen können - auch wegen der Klimaveränderung. Die neuen Sorten können das nicht, funktionieren nur mit viel Input, wachsen nur mit Pestiziden und chemischem Dünger." So würden die Bauern in eine "doppelte Abhängigkeit" geraten: "Jedes Jahr sollen das Saatgut und dazu Dünger sowie Pestizide gekauft werden", so Schiebeck.

Aus dem Landwirtschaftsministerium hieß es auf Anfrage, in Österreich sei der Umgang mit bäuerlichen - also alten - Saatgutsorten durch die "Saatgutverordnung" ohnehin "etwas freier". Der Handel mit bis zu 200 Kilogramm nicht-registriertem Saatgut ist legal. Der Anbau dieser Saatgüter wird jährlich mit insgesamt 1,5 Mio. Euro aus dem Umweltprogramm ÖPUL gefördert. (APA, 12.7.2012)