Kaum zu glauben, dass dieser schicke Schuppen an der Stelle steht, wo bis vor kurzem noch das altbackene Riegi war.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Essen gibt sich international italienisch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In Neapel gilt die Friggitoria Fiorenzano seit Jahrzehnten als mythischer Ort, an dem Zucchiniblüten und Artischocken ebenso wie gefüllte Risottobällchen ("Arancini") und Pastakugeln ("Timballetto"), mit Mozzarella und Prosciutto gefüllte Kroketten und sogar Pizze in brodelndes Frittieröl geworfen werden, um Minuten später als knuspersalzige Köstlichkeiten in Butterpapier gepackt über die Theke und stante pede in die Münder der Kunden zu wandern: erzneapolitanisches Streetfood von legendärer Qualität, heiß, geil, knusprig, unanständig gut.

Seit Anfang vergangener Woche hat Daniela, die Tochter von Betreiber Gennaro Fiorenzano, in der Schauflergasse beim Michaelerplatz ein Restaurant eröffnet - Straßenstandl ist es aber ganz und gar keines geworden. Wo lange Jahre das Riegi mit himmelblauem Plastikplafond und oranger "Kunst" an den Wänden versucht hatte, ein Nobelrestaurant zu mimen, geht es nun richtiggehend schick zu. Wände aus gebürstetem Aluminium und Holz, Boden aus poliertem Sandstein, dazu reichlich Leder, ein ausgeklügeltes Beleuchtungskonzept und reichlich Kellner in feinem Zwirn: Jetzt, wo das Fabios wegen Renovierung geschlossen hat, kommt so ein Nobelschuppen italienischer Machart vielleicht gerade zur rechten Zeit.

Schade nur, dass sich die Küche des elterlichen Betriebs auf der Speisekarte des Fiorenzano so gar nicht wiederfindet. Einstweilen reden die Betreiber sich auf Schwierigkeiten bei der Logistik aus - wenn schon gebackene Zucchiniblüten, dann nur kampanische, keinesfalls jene aus Holland, die angeblich, so der Koch, hierorts die einzig erhältlichen seien. Vielleicht stellt sich ja einmal ein Gärtner in der Schauflergasse vor.

Vergangenheit im Londoner Dorchester

Aber auch so finden vereinzelt klassisch süditalienische Produkte wie Büffelmozzarella (okay, keine ganz heiße Neuigkeit), großartig kernige Pasta aus Gragnano am Golf von Sorrent oder Kirschtomaten vom Vesuv Eingang in die Küche. Die versteht sich aber ohnehin eher international italienisch denn regionstypisch - der Küchenchef ist stolz auf seine Vergangenheit im Londoner Dorchester und in Luxusrestaurants auf Malta.

So gibt es Gansleberterrine mit knackig eingelegten Kirschen ebenso wie eine samtige Erbsenvelouté, in der kurz angegrillte Calamari schwimmen. Ravioli werden überaus prall mit ausgelöstem Ochsenschwanz gefüllt, sehr reichhaltig, hübsch anzusehen - aber leider in der Konsistenz von Hülle wie Fülle eine Idee zu teigig. Seezungenröllchen werden eher unglücklich als "Rosetten" angepriesen, sind aber tadellos auf den Punkt gegart und mit einer köstlichen Salsa aus Pantelleria-Kapern, schwarzen Oliven und Kirschtomaten kombiniert - der Eigengeschmack des Fischs hat gegen derart massive Aromen halt keine Chance. Richtig gut kombiniert wird hingegen das muskulöse Aroma der Makrele mit süßsauer "in carpione" mariniertem Paprika und Roter Rübe. Auch der bei Niedertemperatur gegarte und hernach geknusperte Schweinebauch ist sehr gut.

Die Weinkarte gibt sich luxuriös, die Einstiegsgrenze liegt nur knapp unterhalb von 30 Euro. Um dieses Geld dürfte man sich als Info zum Blaufränkisch von Johann Heinrich freilich etwas Fundierteres erwarten als den unfreiwillig komischen Hinweis: "Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot". (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 13.7.2012)