Tunis - Erstmals seit ihrer Regierungsübernahme hält die tunesische Islamisten-Partei Ennahda ("Die Wiedererweckung") von Donnerstag bis Sonntag einen Kongress ab. Dabei wolle sie sich als "moderate und offene islamische Bewegung" mit einer "Botschaft der Hoffnung und Prosperität" präsentieren, erklärte ihr Vorsitzender Rached Ghannouchi am Mittwoch in Tunis. Ennahda orientiert sich nach eigener Darstellung an der Politik der türkischen islamisch-konservativen Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) von Premier Recep Tayyip Erdogan.

Ennahda, die mit 89 der 217 Sitze stärkste Partei in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung, bildet gemeinsam mit dem linken "Kongress für die Republik" (CPR) von Staatspräsident Moncef Marzouki und der ebenfalls linken Ettakatol-Partei die Regierung. Ghannouchi lobte die "Solidität" dieser Dreierkoalition und beschuldigte zugleich Teile der radikalislamischen Salafisten, die einen islamischen Staat fordern, sich von "Resten des alten Regimes" manipulieren zu lassen. "Überbleibsel" der früheren Diktatur und mächtige Geschäftskreise würden "einige extremistische Fraktionen" instrumentalisieren, um Unruhen wie im Juni zu provozieren. Doch die Regierung dürfe sich nicht der Methoden des Regimes von Ex-Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali bedienen, sie dürfe ihre Gegner nicht unterdrücken, einsperren und foltern, betonte der Ennahda-Chef.

Laut einer Meinungsumfrage, deren Ergebnis am Mittwoch bekanntgegeben wurde, befürworten 63 Prozent der Tunesier die derzeit praktizierte Mehrparteiendemokratie. 45 Prozent finden, dass es dem Land heute besser gehe als unter der Herrschaft von Ben Ali, aber 42 Prozent sind gegenteiliger Meinung. 74 Prozent bejahen die Gleichstellung der Frau, 17 Prozent wünschen sich, dass alle staatlichen Gesetze mit dem Koran in Einklang sein sollen, 16 Prozent bekennen sich zu ihren Sympathien für Al-Kaida. (APA, 11.7.2012)