Wien - Väter von unehelichen Kindern muss die Möglichkeit gegeben werden, alleinige oder gemeinsame Obsorge bei Gericht überhaupt zu beantragen. Derzeit ist dies nicht der Fall. Die derzeitige Regelung ist verfassungswidrig. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs teilte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Mittwoch nach der Sommersession mit. Der VfGH folgt damit der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).

Reaktionen

Dem Staat wurde eine "Reparaturfrist" bis 31. Jänner 2013 eingeräumt, so Holzinger. Das Frauenministerium sieht die Entscheidung nicht in Zusammenhang mit den strittigen Punkten mit Justizministerin Karl. "Der VfGH sagt ganz klar, dass dieses Erkenntnis keinesfalls der Auftrag an den Gesetzgeber ist, die gemeinsame Obsorge der Eltern auch im Streitfall zu erzwingen. Es geht alleine um das Recht für ledige Väter, auch gegen den Willen der Mutter die Obsorge zu beantragen. Und dass wir hier eine Regelung finden müssen, das wissen wir nicht erst seit heute", so Heinisch-Hosek in einer Aussendung. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Regelungen zu treffen, die das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellen und die Eltern dabei unterstützen, Streit und gegenseitige Verletzungen zum Wohl ihrer Kinder zurückzustellen. Das heutige Erkenntnis ist ein Mosaik-Stein, der sich sehr gut in unser Gesamtbild einfügt", so die Frauenministerin.

Karl: "Reformpaket rasch umsetzen"

Justizministerin Beatrix Karl äußerte sich erfreut über die Entscheidung des Gerichts. Die bisherige Regelung habe zu einer Ungleichbehandlung von Vätern gegenüber Müttern sowie unehelichen gegenüber ehelichen Vätern geführt. "Nun ist es wichtig, das Reformpaket rasch umzusetzen. Entscheidend ist schließlich das Kindeswohl, und in den meisten Fällen wird eine gemeinsame Obsorge im Interesse des Kindes sein", so Karl in einer Aussendung am Mittwoch.

Grüne wollen Urteil prüfen

Die Grünen zeigten sich in einer Aussendung skeptisch und wollen das Urteil "genau prüfen". Justizsprecher Albert Steinhauser will das Urteil "selbstverständlich ernst nehmen". Überrascht ist er allerdings, dass wenn die Eltern in keiner Beziehung zueinander leben, ebenfalls ein Antragsrecht auf gemeinsame Obsorge möglich sein soll. In diesem Punkt will der Abgeordnete Details des Urteils abwarten.

ÖVP fühlt sich im Recht

"Unsere Justizministerin Beatrix Karl wird damit auch in ihrem Bestreben unterstützt, die gemeinsame Obsorge als Regelfall im neuen Familienrechtspaket zu verankern", zeigte sich ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm erfreut. Die Entscheidung des VfGH, wonach Vätern unehelicher Kinder ein Antragsrecht auf Obsorge zustehen muss, sieht sie als einen "weiteren Schritt Richtung Gleichberechtigung von Müttern und Vätern".

FPÖ sieht richtungsweisendes Urteil

FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer begrüßte die Entscheidung des Höchstgerichts. Dies sei richtungsweisend für die weiteren Änderungen im Familienrecht, bei dem eine automatische gemeinsame Obsorge für Eltern eine "zentrale Forderung" der FPÖ darstelle, erklärte er.

 

Auch das BZÖ drängt darauf, dass die gemeinsame Obsorge Standard und die alleinige Obsorge Ausnahmefall wird. "Die Kinder haben ein Recht auf einen guten Kontakt zu beiden Elternteilen. Dies gilt besonders im Falle der Trennung, Scheidung, aber auch im Falle bei unehelich geborenen Kindern", so Familiensprecherin Ursula Haubner. (APA/red, 11.7.2012)