Die geplante allgemeine gemeinsame Obsorge - unsinnigerweise auch für konflikthafte Beziehungen nach Scheidungen - ist der Versuch, einer zeitgemäßen rechtlichen Definition von "Familie" aus dem Weg zu gehen. Der gesellschaftliche Wandel hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur zu mehr Scheidungen, sondern auch zu immer mehr nichtehelichen Familien geführt. Im österreichischen Recht gilt aber nach wie vor der vor 200 Jahren in der katholischen Habsburgermonarchie beschlossene Paragraf 44 AGB, der da lautet: "Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten." Das heißt, eine Familie wird nicht durch Kinder begründet, sondern durch die Ehe.

In den ehelichen Familien ist die gemeinsame Obsorge automatische Selbstverständlichkeit. Die Väter in funktionierenden nichtehelichen Familien sind aufgrund des genannten Paragrafen von der gemeinsamen Obsorge und der Namensgebung ausgeschlossen. Die Kinder bekommen automatisch den Namen der Mutter, die auch die alleinige Obsorge erhält.

Die Mütter in diesen Partnerschaften sind sozialrechtlich im Vergleich zu ehelichen Müttern z. B. im Pensionsrecht benachteiligt. Entsprechend dem bürgerlich-ständischen Verständnis ist der Mann als "Ernährer" der Familie zum standesgemäßen Unterhalt der Frau verpflichtet. Das Unterhaltsrecht ist privatrechtlich geregelt. Für die Hinterbliebenenpension, die als Unterhaltsersatz nach dem Tod des Partners anfällt, wird die Unterhaltspflicht ins öffentlich-rechtliche Pensionssystem übertragen.

Mütter in nichtehelichen Familien haben keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension: Nichteheliche Eltern mit Kindern sind eben rechtlich keine Familie.

Wird die geltende rechtliche Definition von Familie in die Überlegungen zur gemeinsamen Obsorge einbezogen, wird deutlich, dass es bei der Frage nach der gemeinsamen Obsorge um die Gleichstellung der nichtehelich funktionierenden Familien mit den ehelichen Familien geht. (Helga Hieden-Sommer, DER STANDARD, 11.7.2012)