"Ja, im Sonnenhaus braucht man eine Zusatzheizung, aber im Passivhaus brauchen Sie im Endeffekt für Warmwasser auch eine Zusatzheizung", sagt Martin Leitl, der dem "Sonnenhaus" in Österreich zum Durchbruch verhelfen will. 

Foto: Putschögl

Tritt er mit dem "Sonnenhaus" gegen das Passivhaus an? "Beide Initiativen haben ihre Berechtigung", sagt Leitl diplomatisch. Es gebe keinen Grund, eifersüchtig auf das jeweils andere Konzept "hinzuhauen". 

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Das "Sonnenhaus" benötigt einen großen Wassertank, der mit Solarenergie beheizt wird und selbst wochenlang als Wärmespeicher dienen kann. Details dazu finden sich im Baureport (PDF) der Firma Leitl.

Grafik: Leitl

Mit Hilfe von mehrstöckigen Wassertanks Häuser fast nur mit der Sonne zu heizen - dieses Konzept propagiert Martin Leitl, Geschäftsführer der oberösterreichischen Leitl Werke. An seinem Firmensitz in Eferding ließ er deshalb im Vorjahr ein sogenanntes "Sonnenhaus" errichten - als Demonstrations- und Forschungsobjekt, das dieser von Deutschland ausgehenden Technologie einen Schub verleihen soll. Im derStandard.at-Interview spricht Leitl über Vor- und Nachteile des Konzepts sowie sein Verhältnis zur Passivhausszene und zur Politik.

derStandard.at: In Deutschland gibt es schon ein paar hundert "Sonnenhäuser". Wie viele sind es in Österreich?

Leitl: Derzeit sind es 35, die entweder in Bau oder in Planung sind.

derStandard.at: In ganz Österreich?

Leitl: Ja, in ganz Österreich.

derStandard.at: Der Schwerpunkt liegt aber wohl auf Oberösterreich?

Leitl: Ja, die meisten sind sicher in Oberösterreich. Wir haben aber mit unserer Initiative erst vor einem Jahr begonnen. Jetzt verbreitet es sich immer mehr. Es ist ja auch naheliegend, für so eine "minderwertige" Wärmeniedertemperatur, die man für Warmwasser und Heizung braucht, die Sonne zu nutzen. Das ist die Kernidee dabei, und ich bin überzeugt davon, dass das auch weiterhin zunehmen wird - gerade bei den stark steigenden Energiepreisen.

derStandard.at: In einer Ihrer Broschüren steht, dass das Sonnenhaus-Konzept nur dann sehr gut funktioniert, wenn das Haus möglichst "verschattungsfrei" ist. Bedeutet das, Ihr Konzept ist nur für Einfamilienhäuser gedacht?

Leitl: Nein, das ist es nicht. Es gibt in Deutschland und in der Schweiz auch schon Mehrfamilienhäuser, außerdem ist eines in Österreich geplant. Aber Sie haben recht, es muss verschattungsfrei sein. Ein Mehrfamilienhaus braucht dann eben einen größeren zentralen Speicher, wo die Wärme für mehrere Wohneinheiten gespeichert wird, und mehr Kollektorfläche. Wenn diese Kollektorfläche am Dach oder an der Fassade möglich ist und diese verschattungsfrei ist und möglichst nach Süden oder Südosten ausgerichtet werden kann, dann ist das bei jedem Gebäude möglich.

derStandard.at: Bei einem Sonnen-Mehrfamilienhaus in Deutschland ist der Wassertank mehr als 200.000 Liter groß, das sind umgerechnet 200 Kubikmeter Wasser. Ist das das Maximum, das möglich ist?

Leitl: Ich weiß jetzt nicht, welchen solaren Deckungsgrad die dort erreichen wollen. Grundsätzlich ist es so, dass sogenannte "Saisonspeicher", die die Wärme im Sommer speichern und über den ganzen Winter abgeben, riesig sein müssen. Aber die Speicher, die wir propagieren, die auch an einem Sonnentag im Winter Energie gewinnen, die können wesentlich kleiner sein.

Wir haben auch bei unserem Sonnenhaus in Eferding, das als Demonstrationsbau gedacht ist, mit 27 Kubikmeter einen wesentlich größeren Speicher eingebaut, als in einem Einfamilienhaus gemacht worden wäre. Wir wollten dort nämlich ein solares Plusenergiehaus machen. Für ein Einfamilienhaus würde ich das nie empfehlen. Dort gibt es eine einfache "Faustformel", wenn man 50 bis 60 Prozent der Heiz- und Warmwassermenge von der Sonne haben will: pro Quadratmeter Kollektorfläche zwischen 150 und 200 Liter Wasser. Bei einem Einfamilienhaus mit 40 Quadratmeter Kollektorfläche ergibt das einen etwa 8.000 Liter großen Tank.

derStandard.at: Diese Riesenwassertanks im Haus sind aber nicht jedermanns Sache - können Sie das verstehen?

Leitl: Ich kann das absolut verstehen, dass es hier Bedenken gibt. Aber schauen Sie: 6.000 bis 8.000 Liter Wasser, das hat man früher an Heizöl im Keller gehabt, ohne Probleme. Und da hat man manchmal sogar das Öl gerochen. Im Verhältnis ist der Wassertank als Wärmespeicher also gar nicht so überdimensioniert. Aber Sie haben recht, man muss sich als Bauherr natürlich damit auseinandersetzen, wie man diesen Speicher unterbringt. Der soll ja nicht nur groß, sondern auch möglichst schlank und hoch sein, damit sich eine Wasserschichtung einstellt: unten niedrigere Temperatur, oben höhere.

derStandard.at: Wie gut er funktioniert, hängt also primär von der Höhe des Tanks ab?

Leitl: Der Durchmesser sollte zur Höhe in einem gewissen Verhältnis stehen.

derStandard.at: In welchem?

Leitl: Ungefähr 1:4 - also wenn der Tank einen Meter Durchmesser hat, sollte er vier Meter hoch sein. Da stellt sich dann eine perfekte Schichtung ein. Zum Beispiel oben 70 Grad und unten 30 Grad. Dann lässt sich oben das Warmwasser entnehmen, und unten kann man schon wieder einspeisen, sofern die Sonne über den Kollektor zum Beispiel 40 Grad liefert. Wenn das Wasser im ganzen Speicher durchschnittlich 50 Grad hätte und die Sonne bringt nur 40 Grad, könnte man nichts einspeisen.

derStandard.at: Kann das Konzept von der Sonneneinstrahlung her überall in Österreich realisiert werden?

Leitl: Ja, im Prinzip schon. Wir haben unser Sonnenhaus in Eferding sogar an einem klimamäßig relativ ungünstigen Platz gebaut, wo es im Herbst viel Donaunebel und deshalb oft wochenlang keine Sonne gibt. Zwar Plustemperaturen, aber keine Sonne. Im Jänner, Februar ist es dann eiskalt, aber es gibt meist schon wieder sehr viele Sonnentage, die Sonne speichert also dann schon wieder ein. Noch besser funktioniert es im Mühlviertel oder irgendwo in den Bergen. Auch in Ostösterreich mit wesentlich mehr Sonnentagen, im Weinviertel oder auch im Burgenland sind die Bedingungen ideal für ein Sonnenhaus.

derStandard.at: Beim Passivhaus war es ja zumindest bis vor kurzem so, dass man mit fünf bis zehn Prozent höheren Errichtungskosten rechnen musste. Wie ist das bei Ihrem Haus?

Leitl: Das hängt davon ab, wie das Haus ausgestaltet wird, welchen solaren Deckungsgrad man erreichen will. Bei einem 60-prozentigen Deckungsgrad muss mit zehn bis 15 Prozent höheren Kosten gerechnet werden. Freilich gibt es auch Förderungen, und eine Warmwasser-Solaranlage, die heute ja praktisch schon jedes Haus hat, braucht man auch nicht mehr, da die ja schon mit dabei ist. Wenn man das alles abzieht, kommt man auf eher fünf Prozent an Mehrkosten.

derStandard.at: Aber damit ist es noch teurer als ein Passivhaus?

Leitl: Nein, das würde ich nicht so sagen. Wenn man bei einem Passivhaus alles einrechnet - mehr Wärmedämmung, bessere Fenster, die Luftdichtheit, die kontrollierte Wohnraumlüftung -, dann kommen ungefähr dieselben Mehrkosten heraus. Bei Mehrfamilienhäusern wird das dann immer günstiger, je größer die Anlagen werden - sowohl beim Passivhaus als auch beim Sonnenhaus.

derStandard.at: Die Passivhaus-Szene ist - wie Sie wohl wissen werden - mit Ihrem Konzept nicht so sehr einverstanden ...

Leitl:  ... was mich überrascht.

derStandard.at: Warum überrascht Sie das?

Leitl: Weil wir eigentlich beide das Gleiche bezwecken: energieeffizientes Bauen. Passivhaus-Erfinder Wolfgang Feist sagt immer: Das Entscheidende ist der Primärenergiebedarf. Und zwar jener der nichterneuerbaren Energien - weil es genau da um die CO2-Emissionen, also um unser Klima geht. Wenn das ernst genommen wird, haben Passivhaus und Sonnenhaus - und alle anderen energieeffizienten Bauweisen - das gleiche Ziel. Da braucht man nicht eifersüchtig auf das andere Konzept hinhauen.

Beide Konzepte haben ihre Besonderheiten. Es gibt sicher Gegenden, wo ich nie jemandem ein Sonnenhaus empfehlen würde, etwa direkt neben einem Wald, der das Haus verschattet. Dort ist vielleicht ein Passivhaus ideal. Auch in der Stadt kann es sein, dass für ein Großgebäude, ein Studentenheim etwa, ein Passivhaus besser ist als ein Sonnenhaus. Es gibt aber auch umgekehrt Beispiele, wo ein Sonnenhaus optimal ist und besser als ein Passivhaus. Eigentlich hat also jede dieser Initiativen ihre Berechtigung. Entscheiden sollen die Bewohner, wie sie leben wollen. Wenn aber eine Gruppe einen Kennwert herauspickt, von dem sie eindeutig profitiert - das ist der Heizwärmebedarf -, und die Gesamtenergieeffizienz nicht mehr anspricht; den Primärenergiebedarf zwar irgendwo im Kleingedruckten angibt, aber nicht einfordert - dann stellt sie sich diesem Wettbewerb nicht.

derStandard.at: Wird sich das mit der EU-Energieeffizienzrichtlinie nun nicht ohnehin ändern?

Leitl: Ja, weil demnach künftig der Gesamtenergiebedarf ausschlaggebend ist. Bisher hat den aber nur das Land Oberösterreich in der Wohnbauförderung drinnen. Andere Länder wollen beim Heizwärmebedarf bleiben. Nur: Wenn beispielsweise eine Lüftungsanlage mehr Energie in Form von Strom verbrauchen würde, als sie an Wärmerückgewinnung einbringt, wird dieser Strombedarf im Heizwärmebedarf nicht abgebildet, er wird erst im Gesamtenergiebedarf eingerechnet. Damit hat man also eine schlechtere Energieeffizienz, erreicht aber diesen einen Heizwärmebedarf-Kennwert. Daher sagen wir: Dieser Kennwert ist zwar nicht unwichtig, er ist ein Bestandteil der Energieeffizienz. Aber wichtig ist die Gesamtbetrachtung.

derStandard.at: Das Passivhaus wird mittlerweile ohnehin nur noch als Zwischenlösung auf dem Weg zum Plusenergiehaus betrachtet. Was spricht denn dagegen, beide Systeme zusammenzuführen und ein Sonnenhaus mit einer Passivhaus-Gebäudehülle zu bauen?

Leitl: Da spricht an und für sich gar nichts dagegen. Es wird meiner Meinung nach sogar in diese Richtung gehen: bessere Qualität der Hülle beim Sonnenhaus, bessere Einbeziehung erneuerbarer Energieträger beim Passivhaus. Da wird man sich dann irgendwann treffen. Derzeit spricht in der Praxis noch die Leistbarkeit dagegen. Stellen Sie sich vor, Sie bauen jetzt so ein Haus. Dann müssen Sie zuerst die ganze Hülle auf Passivhaus-Standard bringen, die Fenster, die Wärmedämmung, die nötige Luftdichtheit erreichen - das kostet grob geschätzt 10.000 Euro. Dann müssen Sie eine Lüftungsanlage einbauen, die kostet nochmals 10.000 Euro, und dazu dann noch eine größere Solaranlage mit zum Beispiel 20.000 Euro.

derStandard.at: Das sind alles Errichtungskosten. Bei einer angenommenen Nutzungsdauer von 50 Jahren rechnen sich diese Investitionen doch wohl?

Leitl: Absolut richtig. Wenn man die Energiepreissteigerungen der letzten zehn bis 20 Jahre anschaut und die auch nur linear fortschreibt, dann rechnet sich das in zehn bis 15 Jahren. Und daher würden sich in dem Fall auch Passiv- und Sonnenhaus gemeinsam in 20 bis 25 Jahren rechnen. Nur, in der Praxis sagt ein Bauherr, der jetzt 40.000 bis 50.000 Euro mehr investieren muss: "Das ist mir zu viel." Leider gibt es noch keine langfristigen Finanzierungskonzepte für diese Sachen. Mit der Wohnbauförderung lässt sich das nur teilweise ausgleichen.

derStandard.at: Das ist ein gutes Stichwort: Der oberösterreichische Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ) wollte im Vorjahr die Passivhaus-Zusatzförderung ganz streichen. Wäre das der falsche Weg gewesen?

Leitl: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Wohnbauförderung, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Es sollen nicht einige wenige, die es sich leisten können, mit aller Technik und Technologie solche Demonstrationsbauten über Förderungen hinstellen. Bei der Wohnbauförderung geht es auch um den sozialen Gedanken, dass Wohnraum leistbar sein soll. Darüber hinaus soll sie Anreize in Richtung Energieeffizienz bieten.

derStandard.at: Gibt es dafür genug Anreize?

Leitl: Grundsätzlich ist die gesamte Wohnbauförderung ein Anreiz, der natürlich nicht die Kosten deckt. Auf Messen wird uns aber beispielsweise immer wieder gesagt: Wenn euer Sonnenhaus nicht gefördert wird und das Passivhaus schon, dann muss das Passivhaus etwas Besseres sein. Über die neue "Minimalenergiehaus"-Förderung in Oberösterreich ist hier aber erstmals Chancengleichheit gegeben. Man soll sich aussuchen können, ob man lieber im Passivhaus mit Lüftungsanlage lebt oder im Sonnenhaus mit Sonnenenergie. Und wenn das Passivhaus nun nicht mehr sozusagen behördlich vorgeschrieben wird, als einzige Möglichkeit, dann wird's mehr Wettbewerb geben, neue Ideen.

derStandard.at: Wegen der fehlenden Passivhaushülle wird es in Ihrem Sonnenhaus aber ohne zusätzliche Heizung im Winter etwas kalt.

Leitl: Ja, im Sonnenhaus braucht man eine Zusatzheizung, aber im Passivhaus brauchen Sie im Endeffekt für Warmwasser auch eine Zusatzheizung. Im Badezimmer wird meistens eine elektrische Zusatzheizung gemacht, sie wird nur nicht so genannt. Und zeigen Sie mir in Österreich mehrere Passivhäuser, die nur - so wie es das Konzept vorschreibt - über Luft beheizt werden. Ich bin überzeugt davon, dass 90 Prozent der Passivhäuser in Österreich eine Zusatzheizung haben. Nach der reinen Lehre wird also kaum gebaut.

derStandard.at: Sie haben zwei Brüder. Der eine ist Geschäftsführer jener bayerischen Firma, die Sie 2003 zugekauft haben und die die Tanks für Sie produziert. Der andere ist wesentlich bekannter, er ist nämlich WKÖ-Präsident. Sie sind damit in der Politik bestens vernetzt; in der Passivhaus-Szene spricht man da oft von der "Leitl-Connection". Was sagen Sie dazu?

Leitl: Also, da täte mich interessieren, wie diese angebliche "Leitl-Connection" irgendwo belegt wird. Im vergangenen Jahr fand im Österreichischen Institut für Bautechnik eine intensive Diskussion darüber statt, wie die Wärmerichtlinien der Zukunft gestaltet werden. Ich bin mit unserem Unternehmen Mitglied im Fachverband Steine und keramische Industrie, wir haben uns natürlich intensiv an der Diskussion beteiligt. Manche Gruppen haben sich sehr dagegen gewehrt, den Gesamtenergiebedarf zuungunsten des Heizwärmebedarfs stärker zu berücksichtigen. Es hat mir aber sachlich kein Einziger wirklich begründen können, warum das falsch wäre.

Ganz im Gegenteil: Jeder hat gesagt, Gesamtenergieeffizienz ist eigentlich das richtige, aber der Heizwärmebedarf ist jetzt in Österreich schon so gut eingeführt, wir wollen jetzt nicht schon wieder weg davon - der typische österreichische Weg, wenn man etwas verhindern will. Für die endgültige Meinungsbildung war es aber nicht ausreichend, dass unser Fachverband - wo ich natürlich wirklich beste Kontakte habe und der ja auch unsere Interessen vertritt - die Gesamtenergieeffizienz einfordert. Es mussten sämtliche Fachverbände zustimmen, damit die WKÖ dazu eine Stellungnahme abgibt. Und da können Sie sich vorstellen, dass es durchaus andere Verbände gegeben hat, die nicht unserer Meinung waren und die gesagt haben: Nein, da sind wir nicht dafür, wir wollen etwas anderes.

derStandard.at: Die Dämmstoffindustrie zum Beispiel?

Leitl: Ich nenne jetzt bewusst keinerlei Branchen. Aber dass die Dämmstoffindustrie lieber den Heizwärmebedarf als den Gesamtenergiebedarf hätte, ist wohl ein offenes Geheimnis. Das waren intensive Diskussionen, und schlussendlich hat es eine gemeinsame Stellungnahme gegeben, wo alle Verbände und Berufsgruppen, die sich an diesem Abstimmungsprozess beteiligt haben, zugestimmt haben. So lief das Verfahren in der WKÖ ab. Und wenn dann jemand sagt, da gab's eine Leitl-Connection, da würde ich sehr gerne mit denjenigen offen reden. Ich bin fast davon überzeugt: Mein Bruder hat erst von diesem Ganzen erfahren, als der Prozess zu Ende war. Weil er nicht dafür da ist, dass er Abstimmungen in der WKÖ beeinflusst. Wo dann ohnehin alle über ihn herfielen, wenn er nur ein Wort in dieser Richtung sagen würde.

derStandard.at: Zum Schluss noch kurz zu einem anderen Thema: Weil das Sonnenhaus nun ja doch eher ein Einfamilienhaus-Konzept ist: Glauben Sie nicht, dass damit auch die viel kritisierte Zersiedelung weiter vorangetrieben wird?

Leitl: Man darf das Einfamilienhaus nicht generell verteufeln. Tatsache ist, dass es die beliebteste Wohnform in Österreich ist. Damit lässt sich das Thema Zersiedelung nur über die Raumordnung regeln - und es gibt Gegenden, wo diese dringend überarbeitet gehört. Es ist auch nicht sinnvoll, immer mehr Pendler zu produzieren, die alle irgendwo ihr energieeffizientes Haus stehen haben, aber dauernd weite Strecken fahren müssen.

derStandard.at: Sie wollen also dann auch wieder nicht, dass in Österreich vier Millionen "Sonnenhäuser" herumstehen?

Leitl: Es gibt Konzepte, die das Lebensgefühl Einfamilienhaus ermöglichen, ohne dass sie zur Zersiedelung beitragen. Beispielsweise Roland Rainers Gartenstadt Puchenau, wo ich herkomme. Da sehe ich also noch genug Möglichkeiten für die Zukunft. Vier Millionen Einfamilienhäuser - wahllos zerstreut - wären für Österreich definitiv zu viel. Aber punktuelle Siedlungen mit Anschluss zum öffentlichen Verkehr - da sollten wir schon intelligent genug sein, dass uns da Konzepte einfallen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 27.7.2012)