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Kann man zuversichtlich in die Zukunft schauen?

Foto: REUTERS/NASA Goddard Space Flight Center

"Ein Pessimist ist ein Optimist, der gut informiert ist", soll der spanische Zeichner und Autor Antonio Mingote gesagt haben. Wenn Mingote recht behält, müsste mit den notwendigen Daten auch der letzte schlecht informierte Optimist davon überzeugt werden können, was viele ohnehin ahnen: Der Hunger auf der Welt wird ständig größer, wir zerstören die Umwelt im großen Rahmen, außerhalb der entwickelten Staaten haben nur wenige Menschen Zugang zu Bildung, Krankheiten und Gewalt raffen immer mehr Menschen dahin. Doch ist das die Wahrheit?

Glaubt man ausgewählten Indikatoren zum Lebensstandard, wie sie die Vereinten Nationen auch für den Human Development Index (HDI) heranziehen - unter anderem zu Lebenserwartung, Alphabetisierung und Sicherheit, Zugang zu Nahrung oder sauberem Wasser -, dann ergibt sich im Vergleich mit den vergangenen Jahren ein differenzierteres Gesamtbild:

In allen Weltregionen werden die Menschen älter als je zuvor. Während ein 1960 zur Welt gekommenes Kind zum Zeitpunkt der Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 52,6 Jahren hatte, darf ein 2010 geborenes Kind ein 69,6 Jahre langes Leben erwarten. Die steigenden Zahlen betreffen in erster Linie die bisherigen Nachzügler: In Afrika südlich der Sahara stieg die Lebenserwartung von 40,5 auf 54,3 Jahre, in Südasien von 43,3 auf 65,3 Jahre, in Ostasien von 44,7 auf 72,2 Jahre und in Lateinamerika von 55,9 auf 74,1 Jahre.


Die Kindersterblichkeit hat seit Beginn der Aufzeichnungen weltweit signifikant abgenommen. Zwar liegen die Werte des subsaharischen Afrika derzeit noch beim Weltdurchschnitt vor 35 Jahren. Dennoch sank auch die Wahrscheinlichkeit, in einem dieser Länder vor dem fünften Lebensjahr zu sterben, gegenüber den späten 1960er Jahren um die Hälfte.


Der Zugang zu sauberem Wasser ist eines der elementarsten Bedürfnisse. Dieses konnten 1990 etwa 76 Prozent aller Menschen stillen, nach den letzten verfügbaren Zahlen lag der Wert 2010 bei 88,4 Prozent. Nachzügler ist ebenfalls das zentrale und südliche Afrika, aber auch dort hatten mit 61 Prozent deutlich mehr Menschen Zugang zu Trinkwasser als noch 20 Jahre zuvor (48,6 Prozent).

Alternative Darstellung mit Daten von WHO und UNICEF:

Anmerkung: Klick auf Play-Taste links unten lässt die Daten zwischen 1990 und 2010 abspielen.


Der Mangel an Nahrung ist zwischen 1992 und 2008 im globalen Mittel von 219,9 auf 211,3 geschrumpft. Dieser Nennwert gibt die Kilokalorien an, die jedem Menschen aus dem unterernährten Teil der Bevölkerung zur notwendigen täglichen Energiezufuhr fehlen. Einen Anstieg gab es gegenüber 1992 im Nahen Osten und in Nordafrika, seit 2002 auch in Südasien. Am stärksten gesunken ist die Mangelernährung laut den Daten von Welternährungsorganisation (FAO) und Weltbank im Subsahara-Afrika.


Die UNO sammelt seit 1995 Daten zu vorsätzlichen Tötungsdelikten innerhalb einer Gesellschaft. Im weltweiten Durchschnitt lag die Rate an gewaltsam ums Leben gekommenen Menschen während der 1990er Jahre konstant bei knapp unter zehn pro 100.000 Menschen, im neuen Jahrtausend stieg dieser Wert merklich an.

 

Vorsätzliche Tötungsdelikte

 

Quelle: UNODC Homicide Statistics; Anmerkung: Nur geringe Datenmengen für Afrika und global für das Jahr 2010. Visualisierung: flog, derStandard.at

 

Der Alphabetisierungsgrad gilt als einer der wichtigsten Entwicklungsindikatoren, mit dem in der Regel der individuelle und der volkswirtschaftliche Wohlstand wachsen. Die OECD bezeichnet eine Person dann als alphabetisiert, "wenn sie eine kurze, einfache Aussage zu ihrem alltäglichen Leben mit Verständnis sowohl lesen als auch schreiben kann". Der Anteil dieser Menschen stieg laut Schätzungen zwischen 1990 und 2008 in allen Erdteilen, insgesamt erhöhte sich der Grad in diesem Zeitraum von über 75 auf knapp 84 Prozent. Dabei klafft noch eine große Geschlechterlücke zuungunsten der weiblichen Bevölkerungshälfte.

Anmerkung: Keine Daten für Nordamerika. Y-Achse: Weibliche Alphabetisierung; X-Achse: Männliche Alphabetisierung. Klick auf Play-Taste links unten lässt die Daten zwischen 1990 und 2009 abspielen. Punktuellere Daten zur Alphabetisierungsrate stellt auch die UNESCO zur Verfügung.


Die Treibhausgase, die wir jährlich in die Atmosphäre ausstoßen, stiegen von 30 Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf 37,8 Milliarden Tonnen im Jahr 2005 (letzte verfügbare Daten vom World Resources Institute). Berücksichtigt sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O) und fluorierte Treibhausgase. Den weitaus größten Anteil an den Emissionen haben Herstellung und Nutzung von Energie.


Der Anteil an Wäldern gilt als Faktor für das ökologische Gleichgewicht auf dem Planeten. Zwischen 1990 und 2010 sank die gesamte Waldfläche auf der Erde von 41,6 auf 40,2 Millionen Quadratkilometer. In Europa, Asien, Australien, Nordamerika und Nordafrika konnten sich die Wälder in den vergangenen 20 Jahren ausbreiten. Die weltweite Gesamtabnahme ist allein auf Rodungen in Südamerika und Afrika südlich der Sahara zurückzuführen.


Kein Grund für Optimismus, keiner für Pessimismus

Verglichen mit den tatsächlichen Lebensumständen der Menschen bleiben Statistiken am Ende immer abstrakt. Oft bilden die Durchschnittswerte Ausreißer nach oben oder unten nur unzureichend ab. Auch lassen sich die Daten aus der jüngeren Vergangenheit nur eingeschränkt auf die zukünftige Entwicklung projizieren.

Geringere Kindersterblichkeit, weniger Hunger und leichterer Zugang zu Bildung zeigen aber, so dass es keinen Grund für bedingungsloses Schwarzsehen gibt. Solange etwa in Somalia kaum ein Drittel der Bewohner Zugang zu sauberem Wasser hat, Tötungsdelikte im globalen Mittel steigen und wir die Umwelt ausbeuten, bleibt aber genauso wenig Grund zur unbefangenen Freude. Was sich zweifellos sagen lässt: Antonio Mingote hat es sich mit seiner Aussage zu einfach gemacht. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 12.7.2012)