Ein Haufen gewaltbereiter Untoter geht auf die Jagd nach unschuldigen Seelen. Ganz besonders zu dieser Spezies gehört ...

Foto: BBC

... Paul (Iain De Ceastecker): Held aus "The Fades". 

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Wien - Keine gute Idee: Wenn eine Frau allein in der Nacht auf einer einsamen Straße einen in einen Umhang gehüllten Mann, am Straßenrand sitzend, fragt: "Fehlt Ihnen etwas?" Zwei Buben auf einem Fahrrad vor den Toren eines verlassenen Gebäudes: "Wann wirst du einsehen, ob es ein Unterschied ist, wenn man einen Weg nur kennt oder ob man ihn beschreitet?" Wieder keine gute Idee. Denn Kühnheit wird bestraft in der Serie "The Fades", auf DVD und ab Freitag beim Digitalsender ZDF neo. Sechs Folgen trachten Zombies nach den Leben unschuldiger Lebender. Sie hungern nach Weltzerstörung, und nur der halbwüchsige Knabe Paul kann sie aufhalten.

Das Drehbuch zu "The Fades" stammt von Jack Thorne, der schon für die ebenso gelobte wie umstrittene Teenagerserie "Skins" schrieb - die harten Szenen aus dem Alltag der feiernden Jugendlichen irritierten die Kritik. Einhellig kultisch verehrt hingegen wurde "Shameless" über die Überlebenskämpfe vom Nachwuchs eines versoffenen Familienvaters mitten in Manchester. Thorne schrieb auch dafür Folgen. Mit William H. Macy gibt es davon inzwischen eine nicht minder schräge US-Version.

Grusel ausleben

Seinen Drang zum Grusel durfte Thorne auf BBC 3 ausleben. Großbritanniens renommierte Rundfunkanstalt leistet sich seit knapp zehn Jahren einen Nischensender, der sich an ein Publikum zwischen 16 und 34 wendet und in dem Experimente erwünscht sind. Der Sender gilt als Sprungbrett für die Premiere League der BBC: Die grobschlächtigen Sketches von "Little Britain" erlebten auf BBC 3 ihre Fernsehpremiere. "The Fades" bestand vor allem am internationalen Markt. In mehr als 50 Ländern wurde der Sechsteiler bereits verkauft. Einer zweiten Staffel wollte die BBC allerdings überraschend nicht zustimmen.

Das Genre Horror erlebt derzeit einen Höhenflug im angloamerikanischen, bisher zu Familienfreundlichkeit vergatterten Mainstream-Fernsehen. Zombies wüten in "The Walking Dead" im US-TV in Großaufnahme. In "American Horror Story" erlebt eine Familie Unheimliches in einem Spukhaus mit prominenter Besetzung: Jessica Lange gehört zum fixen Stab, für die zweite Saison sind Joseph Fiennes und Chloe Sevigny angekündigt.

In "The Fades" ist es der 17-jährige Paul (Iain De Caestecker), der vaterlos in einem beengenden Familienverband lebt. Die Mutter ist überfordert, die Schwester ein Ekel, die Schule eine tägliche Herausforderung: der ganz normale Horror, den Heranwachsende erleben, wenn sie sich als geborene Loser fühlen. Die Gefahr geht von den Fades aus, Tote, die den Weg ins ewige Nichts nicht schaffen und deshalb für die Mehrheit unsichtbar auf Häuserdächern wandeln.

Mit schnörkellosem Willen zum Grauen, ohne zu schockieren, macht auch Thorne sich ans Werk. Mit für Fernsehverhältnissen angenehm spärlicher Hintergrundmusik, dafür dem Medium verpflichteten und genreüblichen Großaufnahmen saugen die Monster den Opfern buchstäblich das Gelbe aus den Augen.

In die Rolle des Auserwählten muss der nerdige Paul aber erst hineinwachsen. Angst und Komik liegen dicht beieinander in einem solchen Leben und so auch in "The Fades". Bekannte Stilrezepturen aus "Star Wars", "Herr der Ringe", "Harry Potter" werden neu gemixt, wie eine Matrix auf das Horrorgenre gelegt. Neben den Untoten begegnet uns eine Reihe weiterer guter Bekannter: arglos plappernder Freund, heimliche Liebe, geheimnisvolle Priesterin, entschlossener Geisterjäger, unselige Lichtgestalt, tote Krähe. Am Ende ergibt das die alte Geschichte, wonach selbst im Kleinsten, Unscheinbarsten das Besondere steckt.

Das Besondere an "The Fades": Hier wird weitaus tiefer ins Diesseits eingetaucht. Zu sehen sind die Härten des Aufwachsens in realbritischen Verhältnissen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 10.7.2012)