Der Absprung der Familie Tlass, die immer eng mit der Assad-Herrschaft verbunden war, erschüttert die Selbstdarstellung Bashar al-Assads schwer: Wenn sich die Weggefährten seines Übervaters Hafiz von ihm abwenden, verliert er auch noch die historische Legitimation, auf die er selbst so pocht. General Manaf Tlass, der Sohn von Langzeitverteidigungsminister Mustafa Tlass, stellte genau wie Bashar selbst die Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart Syriens dar. Wenn so einer geht, ist das mehr als eine Desertion aus dem inneren Zirkel.

Daran, ob der Sunnit Tlass - der ein gutes Jahr an der Repression teilgenommen hat - eine Rolle bei einem Machtwechsel spielen kann, scheiden sich die Geister. Ein Teil der Opposition und viele westliche Demokraten werden entsetzt von der Idee sein, dass sich Tlass als Figur für eine Übergangsregierung anbieten könnte, die die am Freitag in Paris tagenden "Freunde Syriens" haben wollen.

Gesucht wird jemand, der für Kontinuität steht und jenen die Angst nehmen soll, die sich vor dem, was nach Assad kommen könnte, mehr fürchten als vor Assad selbst. Das macht eine Nähe zum alten Regime zwingend. Der Gedanke an die Tlass-Familie ist wahrlich nicht angenehm. Aber wenn es tatsächlich so weit kommen sollte, dass die ehemaligen Stützen des Regimes mitspielen, muss sich das die syrische Opposition, die soeben in Kairo wieder ein klägliches Spektakel geboten hat, selbst zuschreiben. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 7./8.7.2012)