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"Dann stehe ich draußen", sagt Baumgartner, "da habe ich schon sehr viel erreicht, aber jetzt geht's erst los."

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"Habe meinen eigenen Kopf, bin weder Red-Bull-Angestellter noch Leibeigener."

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"Jeder kennt den Hillary. Und jetzt will ich der Erste sein, der diesen Everest besteigt."

1960 sprang Joe Kittinger aus 31.000 Metern Höhe ab. 2012 will Baumgartner noch höher hinaus.

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Die Kapsel, aus der Baumgartner aussteigt. "Wenn ich angekommen bin, gibt es 45 verschiedene Schritte, die ich in der richtigen Reihenfolge machen muss."

"Es gibt schon Leute, die sagen, dass es niemandem etwas bringt, was wir hier tun."

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Felix Baumgartner wollte "die Welt immer von oben sehen", und er wollte " immer fliegen können".

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Felix Baumgartner, der frei fallend die Schallmauer durchbrechen will, sieht sich als Risikomanager. Was ihn treibt und dass er manche PR-Idee von Red Bull "lächerlich" findet, erfuhren Fritz Neumann und Petra Stuiber. 

STANDARD: Wir haben uns überlegt, wo dieses Interview erscheinen soll. Die Sportseite wäre möglich, die internationale Chronik, die Wissenschaftsseite. Wo würden Sie sich am ehesten sehen?

Baumgartner: Es kommt darauf an, in welche Richtung das Interview geht. Vielleicht auf der internationalen Chronik. Wenn wir sehr technisch werden, hat es auch eine Berechtigung für die Wissenschaftsseite.

STANDARD: Als Sportler sehen Sie sich nicht mehr?

Baumgartner: Doch, schon. Natürlich braucht es den Athleten, mein Handwerkszeug ist immer noch der Fallschirm. Aber was wir machen, ist Wissenschaft. Mein Fallschirm und ich, das war eine einfache Symbiose. Jetzt kommt der Dosenhersteller mit dem Testspringer, und die wollen sich im Weltraum betätigen. Die Wissenschaft hat das zuerst ungern gesehen, dass wir uns in ihrem Business wichtigmachen wollen. Aber wir haben die finanziellen Mittel, um das zu machen, haben auch die richtigen Leute ins Boot geholt. Und ich habe fünf Jahre lang sehr viel Ausbildung genossen und mich fachlich weitergebildet, um mit den Wissenschaftern auf Augenhöhe zu sein.

STANDARD: Eine Sportveranstaltung im klassischen Sinne ist es nicht, oder? Schließlich gibt es keinen Wettbewerb.

Baumgartner: Ich konkurriere mit Joe Kittinger, der den Rekord aufgestellt hat, und auch mit zukünftigen Wettkämpfern, die noch höher hinauf und noch schneller fliegen wollen. Der Everest ist schon zigmal bestiegen. Und früher ging es darum, wer als erster Mensch auf dem Everest steht. Das ist natürlich ein Wettbewerb. Es gibt nur einen Ersten auf dem Everest. Wer das erreicht, ist es für die Ewigkeit. Jeder kennt den Hillary. Und jetzt will ich der Erste sein, der diesen Everest besteigt.

STANDARD: Wo genau liegt die Herausforderung? Höhe, Fall, Vorbereitung oder Kälte?

Baumgartner: Es ist die Gesamtheit des Projekts. Mit dem Autofahren fängst du ja auch nicht in einem Formel-1-Boliden an. Du wärst völlig überfordert. Du fängst mit einem kleinen Auto an und steigerst langsam das Tempo. Was wir hier machen, ist die Formel 1. Das braucht viel Aufbauarbeit. Du reifst mit deiner Aufgabe. Allein der Anzug! Am Anfang kommst du mit dem Anzug nie aus der Kapsel heraus. Er ist wie eine riesige Behinderung, der Anzug.

STANDARD: Inwiefern?

Baumgartner: Er wird aufgeblasen, du brauchst ja einen Druck. In 36.000 Metern Höhe haben wir nur mehr ein Prozent Atmosphäre, also fast ein Vakuum. Der Mensch hat ab 16 Kilometern Höhe das Problem, dass sein Wasser im Körper zu kochen beginnt bei Körpertemperatur. Da würde man elendiglich zugrunde gehen, deswegen braucht man einen Druckanzug. Er ist extrem steif. Es gibt Leute, die haben keine Hände und können mit den Füßen Gitarre spielen. Die haben auch gelernt, mit einer Behinderung umzugehen. Das Gleiche gilt für den Anzug, das braucht viele Monate Training. Wenn ich angekommen bin in 36.000 Metern Höhe, gibt es 45 verschiedene Schritte, die ich in einer richtigen Reihenfolge machen muss, um aus der Kapsel auszusteigen. Dann stehe ich draußen, da habe ich schon sehr viel erreicht, aber jetzt geht's erst los. Ich darf keinen hohen Puls haben, damit ich nicht zu schwitzen beginne und das Visier nicht anfriert. Wenn ich nichts sehe, muss ich abbrechen. Der Anzug ist nicht beheizt, es ist saukalt da drinnen, damit ich ja nicht zu schwitzen beginne. Frieren ist besser als Schwitzen.

STANDARD: Warum tut einer das, was Sie tun? Für Ruhm und Ehre?

Baumgartner: Das Guinnessbuch ist völlig uninteressant, eine Begleiterscheinung. Für mich steht immer die Herausforderung im Vordergrund. Etwas zu versuchen, was noch keiner gemacht hat, was die Menschheit für unmöglich hält.

Standard: Wie wird man so? Was ist da in Ihrer Kindheit passiert?

Baumgartner:: Ich war immer so. Keine Ahnung, warum. Bei meinem Bruder hat alles funktioniert, der ist Koch geworden. Ich hatte immer diesen Freiheitsdrang und wollte die Welt immer von oben sehen. Ich bin schon als kleines Kind auf Bäume geklettert. Auf den meisten Kindheitsfotos sieht man mich auf Bäumen. Ich wollte immer fliegen können. Das Fallschirmspringen, dann das Basespringen waren genau mein Sport. Ich habe immer versucht, zu perfektionieren und neue Grenzen zu definieren. Und ich habe zwanzig Jahre überlebt in diesem Sport.

STANDARD: Basejumper springen oft illegal. Müssen Fallschirme irgendwo hinein- und hinaufschmuggeln, sind im Konflikt mit den Behörden. Jetzt müssen Sie mit Behörden kooperieren. Vergleichsweise eine ganz brave Geschichte, oder?

Baumgartner: Richtig. Aber es ist anstrengend genug, vierzig Wissenschafter im Zaum zu halten, die ein Durchschnittsalter von 65 haben, Egoisten sind und glauben, sie sind gescheiter als du. Ich bin ja nicht nur der Athlet, der springt. Ich sitze in Besprechungen. Ein Wissenschafter sagt schwarz, der andere sagt weiß. Und ich muss die richtige Entscheidung treffen. Wenn etwas schiefgeht, werde ich derjenige sein, der mit dem Leben bezahlt. Ich will zumindest selbst schuld sein; was zwar den Umstand nicht mehr ändert - aber ich kann sagen, okay, es war meine Entscheidung. Wir machen das live vor der ganzen Welt - ein Projekt, das so viele Unbekannte in sich birgt, bei dem trotz bester Vorbereitung sehr viel schiefgehen kann.

STANDARD: Was ist die größte Gefahr? Ohnmächtig zu werden?

Baumgartner: Das wäre möglich, wenn ich ins Flachtrudeln komme. Ein Zustand, in dem sich der Mensch, wenn er auf dem Bauch liegt, um die Hochachse dreht. Wie eine CD im CD-Player. Da geht das Blut in den Kopf, es kommt zum Redout. Blackout ist umgekehrt, wenn das Blut in die Füße geht, aus dem Kopf heraus. Im Kopf ist der Mensch empfindlich, drei bis vier G sind schon sehr kritisch.

STANDARD: Kann man sich aus dieser Situation retten?

Baumgartner: Es wäre schon wichtig, nicht in diese Situation zu kommen. Ich habe den Absprung trainiert, der muss perfekt sein, damit ich in keine Rotation komme. Nach ungefähr dreißig Sekunden erreiche ich Schallgeschwindigkeit, also 1150 km/h, und dann kommt zwischen 27 und 29 Kilometern Höhe eine dichtere Luftschicht. Da gibt mir die Luft eine 1200-km/h-Luftwatsche mit. Und ich könnte dieses Flachtrudeln nicht mehr stoppen, weil meine Hände und Beine zu kurz sind, um die extreme Geschwindigkeit zu kompensieren.

Dann kommt das Blut in den Kopf, und das Blut hat nur mehr eine Möglichkeit, den Körper zu verlassen, durch Augen und Ohren. Deshalb haben wir, um nicht zu sterben, einen Bremsfallschirm entwickelt. Der ist mit einem G-Messer ausgestattet. Und wenn ich so schnell rotiere, dass ich keinen Griff mehr ziehen kann, löst sich dieser Rettungsschirm automatisch. Um zu sterben, muss schon vieles auf einmal passieren. Für die meisten Sachen haben wir Lösungen entwickelt. Und das hat Relevanz. Heute fliegen Touristen ins Weltall, Richard Branson baut seine ersten Spaceports, Weltraumflughäfen. Jedes Luft- oder Raumfahrzeug hat irgendwann einmal ein Problem. Und dann hilft vielleicht unsere Ausrüstung, Menschen wieder sicher zur Erde zurückzubringen.

STANDARD: Wie groß ist die Unbekannte, die bleibt?

Baumgartner: Die Unbekannte ist groß genug. Was passiert, wenn der Mensch im Überschallbereich fliegt, im freien Fall, ohne Schutz eines Luftfahrzeugs? Keiner weiß das. Wir führen das live der ganzen Welt vor, da lehnt man sich aus dem Fenster. Da braucht's jemanden wie mich, der Risikomanager ist und kein Hasardeur. Ich bin Kfz-Mechaniker und Maschinenschlosser, war auf der HTL für Maschinenbau. Den Rest kann ich mir aneignen. Ich gehe immer vom Worst Case aus, das bin ich mir selbst schuldig, meinen Sponsoren, dem Umfeld. Dietrich Mateschitz ist sehr vorsichtig! Der fragt, ob wir das eh im Griff haben.

STANDARD: Wird, wenn Sie verunglücken, der Film von diesem Flug trotzdem gezeigt?

Baumgartner: BBC ist seit Beginn des Projektes unser Medienpartner, die waren von der Stunde null mit dabei, zeigen den Sprung live, machen eine tolle Dokumentation. Wenn es ganz schlecht ausgeht, wären die Bestrebungen dahingehend, es trotzdem zu zeigen - vielleicht dass man den Unfall nicht bis ins Detail sehen muss.

STANDARD: Das wäre dennoch sehr fragwürdig. Für Sie nicht?

Baumgartner: Nein, für mich nicht. 

STANDARD: Ihnen wäre es egal?

Baumgartner: Ich weiß nicht.

STANDARD: Eine ethische Frage.

Baumgartner: Ich sehe das pragmatisch. Es hat immer Menschen gebraucht, die ihr Leben lassen. Sonst würden wir heute nicht die Welt in einem Flugzeug bereisen können. Hätte keiner etwas riskiert, würde es heute keine Röntgenbilder geben.

STANDARD: Jetzt erzählen Sie die Positivgeschichte vom Nutzen für die Menschheit. Den Ärmelkanal sind Sie mit dem sogenannten Skyray überflogen.

Baumgartner: Moment. Das Ursprungsmodell, der Flügel, den Rüdiger Kunz entwickelte und mit dem ich geflogen bin, hat mit dem späteren Skyray nichts mehr zu tun.

STANDARD: Aber der Flügel, mit dem Sie flogen, wurde in weiterer Folge verwendet, um ein militärisches Waffensystem zu entwickeln. Stellt sich schon die Frage, welchen Nutzen die Menschheit daraus zieht.

Baumgartner: Ich kann nichts dafür, wohin die Reise geht. Flugzeuge sind okay, wenn ich möchte, dass die Menschheit mobil ist. Der Nächste sagt dann, transportieren wir Bomben damit, und bombardieren wir die Welt. Wohin die Reise geht, wenn ein Mensch etwas entwickelt, ist immer fraglich. Vieles, das einen Nutzen hat, kann ich auch dafür verwenden, um die Menschheit zu bekämpfen.

STANDARD: Aber man muss, will man der Menschheit nützen, nicht die Schallmauer durchbrechen.

Baumgartner: Es gibt schon Leute, die sagen, dass es niemandem etwas bringt, was wir hier tun. Zuerst fühlt man sich angegriffen. Aber ein Dietrich Mateschitz spendet nicht wenig Geld, und dieses Geld wäre ohne Sportler, die für Red Bull werben, vielleicht nicht vorhanden. Keiner würde ein Red Bull kaufen, es gäbe keine Umsätze und keinen Mateschitz, der einen Teil dieses Geldes investieren kann. Ich mache, was ich mache, natürlich nicht rein zum Nutzen der Menschheit. Ich möchte in erster Linie etwas machen, das noch keiner vor mir gemacht hat. Wir haben dieses Projekt nicht ins Leben gerufen, um der Raumfahrt zu dienen. Das ist ein Nebenprodukt.

STANDARD: Wie sind Sie auf Stratos gekommen? Ist das die logische Weiterentwicklung Ihrer Sprünge?

Baumgartner: Wenn man Fallschirm springt und sich mit dem Thema beschäftigt, stößt man irgendwann auf Joe Kittinger. In jungen Jahren ist das weit weg. Aber irgendwann ist man in einer Liga, da hat man einen potenten Sponsor und schon viel im Fallschirmspringen umgesetzt. Da sieht man sich das konkreter an. Mateschitz war am Anfang skeptisch, hat gefragt: Welche Kompetenz haben wir im Weltall?

STANDARD: Aber der Marke passt es natürlich gut.

Baumgartner: Der Marke passt es sehr gut. Und die Kompetenzen holt man sich. Sonst würden wir alle nur das machen, was wir gelernt haben, ich wäre heute Maschinenschlosser. Man sucht sich Leute, mit denen man eine Vision umsetzen kann.

STANDARD: Ist die PR-Maschinerie ein Teil vom Ganzen, oder klammern Sie das aus? Man hat manchmal das Gefühl, die PR ist wichtiger als die Sache an sich.

Baumgartner: Völlig richtig. Genau dagegen habe ich die letzten Jahre angekämpft. Die halten mir bei jedem Test eine Kamera ins Gesicht, ich sage immer, wir müssen erst einmal arbeiten. Wenn eine Kamera dabei ist, ist man abgelenkt. Man überlegt, was man sagen soll, man kann nicht in dieser Natürlichkeit agieren, wie man es ohne Kamera machen würde. Natürlich kostet das Projekt eine gewisse Summe, und wir brauchen die Berichterstattung, damit sich das Investment rechtfertigt. Aber das kann nicht vorrangig sein. Aus dem ersten großen Test wollten sie ein riesiges Medienspektakel machen, ich habe gesagt, das könnt ihr vergessen, wir konzentrieren uns auf den Sprung. Denn wenn der Test nicht perfekt abläuft, haben wir alle kein gutes Gefühl.

STANDARD: Das war also auch eine Managementaufgabe für Sie?

Baumgartner: Ja, klar. Und das ist schwierig, wenn du als Athlet dem Sponsor etwas untersagst.

STANDARD: Mateschitz ist nicht unbedingt berühmt dafür, dass er ein Nein akzeptiert.

Baumgartner: Aber ich habe viel getan für Red Bull, ich bin 22 Jahre lang Red-Bull-Athlet. Ich bin kein junger Skateboarder und kein junger Formel-1-Fahrer, der gehorchen muss. Ich habe meinen eigenen Kopf, bin weder Red-Bull-Angestellter noch Leibeigener. Was meine Sache betrifft, ist keiner mehr Profi als ich. Auch Herr Mateschitz kann nicht einschätzen, ob es gefährlich ist oder nicht.

Was meine Sicherheit gefährdet, unterbinde ich. Wenn alles vorbei ist, können wir gerne die Kuh melken. Red Bull hatte schon die grandiose Idee, dass ich beim Hinauffahren den Spruch "Willkommen in meiner Welt - der Welt von Red Bull" einspreche. Sage ich, seid ihr deppert, oder was? Stell dir vor, der Armstrong steigt auf dem Mond aus und sagt diesen Spruch. Wenn einer vor dem Fernseher sitzt und das sieht, ist ihm deine Leistung nichts mehr wert. Lächerlich, so eine Idee. Aber bei mir gibt es kein Kasperltheater.

STANDARD: Wie hoch ist das Budget, wie viele Leute beschäftigen Sie?

Baumgartner: Beim letzten Test waren 120 Leute vor Ort. Die Kosten besprechen wir nicht.

STANDARD: Warum nicht?

Baumgartner: Im Hause Red Bull ist das nicht einmal ein ungeschriebenes Gesetz, sondern ein geschriebenes. Abenteuer und Leidenschaft haben keinen Preis, sage ich immer in den Interviews.

STANDARD: Und was verdienen Sie? Haben Sie dann ausgesorgt?

Baumgartner: Das hätte ich jetzt schon. Ich habe mit meinem Sport gutes Geld verdient. Aber zur Ruhe setze ich mich nicht. Ich möchte nachher als gewerblicher Hubschrauberpilot arbeiten. Ganz normal wie jeder andere auch. Ich habe 2006 in Los Angeles meinen Hubschrauberschein und vor kurzem meine tausendste Flugstunde gemacht, habe sieben verschiedene Helikopter-Ratings. Ich sehe mich ein halbes Jahr in Österreich oder in der Schweiz, Rettungseinsätze oder Transporteinsätze fliegen. Und die andere Hälfte des Jahres bekämpfe ich Feuer in Kalifornien.

STANDARD: Kein Extremsport mehr?

Baumgartner: Nein. Aber es kann auch nicht das Ziel sein, nicht mehr zu arbeiten. Du brauchst ja einen Grund, warum du in der Früh aufstehst. Hubschrauberfliegen heißt, ich bin wieder in der Luft, da, wo ich eigentlich zu Hause bin. Das ist wieder sehr herausfordernd, es ist gefährlich. Und ich bin nicht der Beste, sondern muss mich nach oben arbeiten.

STANDARD: Sie haben keine Angst, in ein Loch zu fallen, wenn Sie nicht mehr im Zentrum stehen?

Baumgartner: Ich mag es gerne kleiner. Ich sitze lieber mit den Freunden auf dem Campingplatz und trinke ein paar Bier aus dem Plastikbecher, als dass ich jede Einladung annehme. Der ORF hat mich zur Romy-Gala eingeladen, damit ich eine Laudatio für Hans Hass halte. Habe ich nicht gemacht. Dafür war ich mit Tom Cruise in der Tonight Show von Jay Leno, das war für mich ein Highlight.

STANDARD: Sie sind in die Schweiz übersiedelt - weil man steuerlich besser aussteigt?

Baumgartner: Ja, viel besser.

STANDARD: Spitzensportler in Österreich zahlen dank Sportlererlass nur 17 Prozent Einkommenssteuer.

Baumgartner: Aber das wackelt immer. Nach zehn Jahren, bei der Betriebsprüfung, sagt man vielleicht, das Springen von Brücken ist keine Sportart. Jetzt kaufst du dir ein Haus, dann hast du eine Nachzahlung für zehn Jahre und gehst in Konkurs. In der Schweiz gehst du zum Finanzminister, machst etwas aus, bekommst es schriftlich, und das hält. Der will keine Buchhaltung sehen. Der will gar nicht wissen, was du verdienst. Der will nur einmal im Jahr, dass du diese Summe zahlst. Und fertig.

STANDARD: Ihr Projekt und die damit transportierten Bilder kann man mit den Begriffen Männlichkeit, Machismus, Militär verbinden. Gefällt Ihnen das?

Baumgartner: Ein Raumanzug ist wie eine Ritterrüstung, wie eine Polizeiuniform, das schaut immer heldenhaft aus. Das ist der Sinn einer Uniform. Dass selbst der größte Kasperl auf einmal nach etwas ausschaut. Ich kann mich noch so dagegen wehren, in dem Moment, wo ich den Raumanzug anhabe und in die Kapsel steige, sagt die ganze Welt: Raumfahrer, Held. Die Leute wollen Vorbilder, zu denen sie aufschauen können.

STANDARD: Warum ist bei Stratos keine einzige Frau mit an Bord?

Baumgartner: Das liegt in der Natur der Sache. Es gibt wenige Frauen, die Erfindungen gemacht haben.

STANDARD: Hedy Lamarr, Marie Curie ...

Baumgartner: Ich habe nicht gesagt, es gibt keine. Es gibt wenige. Ich schaue vielleicht aus wie ein Macho, aber ich bin ein Riesenfan von Frauen. Hausfrau zum Beispiel hat heute bei vielen keine Wertigkeit. Dabei sehe ich das bei meiner Mutter - die regelt meine Sachen, die Sachen von meinem Bruder, die Sachen von meinem Vater. Ein Managerjob. Und das 365 Tage im Jahr. Aber es haben wenige Frauen eine Kompetenz im Luft- und Raumfahrtbereich.

STANDARD: In Ihrer noch zu gründenden Helikopter-Rettungsfirma werden auch Frauen beschäftigt sein und fliegen?

Baumgartner: Ja, klar. Eine Bekannte von mir ist Helikopter-Polizistin, sie hat ein paar tausend Stunden mehr und sagt mir immer sehr viel. Meine Hubschrauberausbildung habe ich bei einer Frau genossen. Super. Ich lasse mir eh lieber von einer Frau etwas sagen als von einem Mann. Mit einem Mann gibt es immer gleich ein Konkurrenzdenken.

STANDARD: Zweifeln Sie jemals an sich selbst?

Baumgartner: Immer. Beim Basespringen geht man rein und muss springen, da hat man nicht viel Zeit. Die Zeit des Nachdenkens ist die Nacht davor, da schläft man vielleicht nicht gut, da liegt man im Bett und überlegt, ob alles wirklich funktionieren wird. Du weißt auch, du brauchst immer ein gewisses Glück, um zu überleben. Auch wenn du dich noch so gut vorbereitest. Wie lange habe ich das noch? Statistisch gesehen erwischt es dich irgendwann! Darum war ich immer einer, der wenig gesprungen ist, und ich bin nicht von überall runtergesprungen. Ich habe immer geschaut, dass ich etwas daraus machen konnte. Ich bin selten zum Spaß gesprungen. (Fritz Neumann/Petra Stuiber, DER STANDARD, 7.7.2012)