Karin Mamma Andersson: Touched by Gods (2203)
Bild: Andersson
Liisa Lounila: Videostill aus "Popcorn" (2001)
Still: Popcorn
Kristina Bræin, 1998
Anne Karin Jortveit ist Kuratorin im Nationalen Museum für zeitgenössische Kunst in Oslo. Für die Biennale in Venedig hat sie gemeinsam ihrer Kollegin Andrea Kroknes die Ausstellung "devil-may-care" für den nordischen Pavillion zusammengestellt. Im Interview mit die Standard.at erklärt die Kunsttheoretikerin ihre Vorstellungen von feminstischer Kunst und wie die auf den ersten Blick "unpolitischen" Arbeiten der drei Künstlerinnen doch quer gelesen werden können.

dieStandard.at: Wie seid ihr zur Auswahl der Künstlerinnen für den nordischen Pavillion gekommen? Gab es im Vorhinein ein Konzept?

Anne Jortveit: Eigentlich sind Andrea Kroknes und ich ziemlich offen an unsere Arbeit herangegangen. Nachdem der Nordische Pavillion ja drei Länder repräsentiert (Finnland, Norwegen und Schweden, Anm.), hatten wir eine große Menge von geographischen, ästhetischen und konzeptuellen Fragestellungen miteinzubeziehen. Deshalb wollten wir uns vorher nicht auf ein Konzept festlegen. Was wir aber anstrebten, war eine überraschende Zusammenstellung von Künstlerinnen, eine Konstellation, die nicht unbedingt 'erwartet' wurde. Dem Ruf nach großen Namen bei solchen Kunstevents wollten wir entgegensteuern und darauf hinweisen, dass es auch interessante KünstlerInnen gibt, die nicht ständig auf den Titelblättern zu sehen sind.

Als wir uns nach einer gewissen Zeit auf diese drei Künstlerinnen einließen, sahen wir erstaunlicherweise gleich konzeptuelle Parallelen in deren Arbeiten. Liisa Lounila (FI), Kristina Bræin (NO) und Mamma Karin Andersson (SE) vereint eine gewisse 'weibliche Verwegenheit'. Sie befinden sich mit ihren Arbeiten zwar weit entfernt von traditionellen feministischen Praktiken, aber die Art und Weise, wie sie sich Materialien und Themen einer patriarchal gefärbten Kultur (z.B. Hollywoodfilme, abe auch die Werke alter Meister) aneignen und dabei ihre Wahl nicht rechtfertigen oder politisch legitimieren, empfanden wir als sehr verwegen. Auf der einen Seite sind sie also 'Diebinnen' einer patriarchalen Mainstream-Kultur, auf der anderen selbstbewusste, originäre Exponentinnen einer Mixtur von 'High and Low'-Kultur.

dieStandard.at: Andersson, Braen und Lounila betonen ja, dass sie ihre Arbeit nicht feministisch oder politisch verstehen. Was ist der Grund, dass viele Künstlerinnen, obwohl kritisch, nicht mit Feminismus in Verbindung gebracht werden wollen? Hat das F-Wort immer noch so einen schlechten Ruf?

Anne Jortveit: Als Kuratorin kann ich natürlich nicht für die Künstlerinnen sprechen..., genausowenig wie ich als Feministin für andere Frauen sprechen kann. Wenn wir das Werk einer Künstlerin in einem feministischen Kontext bringen, soll das natürlich nicht die eigenen Vorstellungen der Künstlerinnen verdecken. Ich bin allerdings erstaunt, dass es für viele Frauen immer noch so schwer ist, sich mit Feminismus zu identifizieren. Andererseits sagt es auch etwas darüber aus, dass diese scheinbar einfache Frage eigentlich ziemlich komplex ist. Bei einer genaueren Definition darüber, was 'Feminismus' eigentlich alles bedeuten kann, würde aber sicher ein anderes Bild vom Ansatz der Künstlerinnen entstehen.

Für mich ist Feminismus ein Wissen, dass ich immmer bei mir habe, egal was ich tue. Es ist eine wichtige Plattform in meinem Leben, die beeinflusst, wie ich Kultur wahrnehme, sowohl im allgemeinen wie auch im speziellen. Dabei geht es nicht darum, dass ich etwas 'explizit feministisches' mache oder nicht. Es ist eine Ideologie, die sich in unzähligen Formen ausdrücken kann.

dieStandard.at: Gibt es eine "weibliche Tradition" in der Unterwanderung von dominanten Strukturen in der Kunst?

Anne Jortveit: Viele Künstlerinnen haben in den 60ern begonnen, ihre marginalisierte Position innerhalb der Geschichte und den zeitgenössischen Kunstinstitutionen wahrzunehmen und zu kritisieren. Diese Haltung hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und gehört meiner Meinung nach zu den besten Dingen, die der Kunstwelt in den letzten Jahr(-zehnten) passiert ist. Dabei kamen auch sehr viele wunderbare Künstlerinnen zum Vorschein. Für den amerikanischen Kunstkritiker Craig Owens sind Frauen ja die wahren Vorreiterinnen, die interessanteren Künstlerinnen.

dieStandard.at: Was ist in diesem Zusammenhang mit devil-may-care gemeint?

Anne Jortveit: Für uns repräsentiert der Titel die künstlerische Freiheit, eine Arbeit außerhalb jeglicher Erwartungen zu postulieren. Es geht um Spaß, um eine spielerische Haltung. Es soll aber keine Beschreibungen der Künstlerinnen sein, sondern nur einen kleinen Hinweis liefern, dass sie als Künstlerinnen nicht so einfach zu lesen sind. Außerdem finden wir, dass es gut klingt...

dieStandard.at: Wäre da eine Arbeit oder ein Pavillion, den du unseren UserInnen empfehlen würdest?

Anne Jortveit: Um ehrlich zu sein, habe ich aufgrund der vielen Arbeit für den nordischen Pavillion noch gar keine Zeit gefunden, mir die anderen Sachen genau anzuschauen. Aber ich finde, der italienische Pavillion hat viele gute KünstlerInnen. Der israelische, mit Arbeiten von Amit Goren, fällt mir auch noch ein.