Die so genannte "affirmative action" oder "positive Diskriminierung" von Minderheiten ist verfassungskonform: Mit diesem Urteil hat der Supreme Court der USA diese Woche ein Machtwort in einer Angelegenheit gesprochen, die die Emotionen in der amerikanischen Öffentlichkeit seit langem hochgehen lässt. US-Hochschulen werden demnach auch künftig Angehörigen von Minderheiten den Vorzug vor gleich qualifizierten weißen Bewerbern geben dürfen, ohne sich damit eines Verstoßes gegen die Grundrechte schuldig zu machen.

Wie kontroversiell die Frage der "affirmative action" ist, zeigt sich allein daran, dass auch das Richterkollegium des Supreme Court in sich tief gespalten war. Befürworter dieses mit verschiedenen sozialtechnischen Methoden bewerkstelligten Ausgleichsprozesses können auf viele Erfolge verweisen: Die "affirmative action" hat dazu beigetragen, dass es etwa eine erkleckliche Anzahl von Schwarzen in US-Spitzenunternehmen oder in der Armee gibt. Die moralische Komponente, die ihr anhaftet, tut ein Übriges, sie als eine gerechte Sache erscheinen zu lassen.

Aber auch ihre Gegner, die oft, aber nicht ausschließlich dem konservativen Lager angehören, haben starke Argumente zur Hand: Sie können geltend machen, dass die Idee der Förderung von Minderheiten dem uramerikanischen Prinzip der Egalität widerspricht - und dass sie an den realen Ursachen sozialer Ungleichheit bis dato nur wenig verändert hat. Vor allem aber ist der Begriff der Minderheit schlechthin ins Tanzen geraten. In der letzten Woche wurde offiziell verlautbart, dass die Latinos in den USA erstmals bundesweit zur stärksten Minderheit geworden sind (in Kalifornien waren sie es schon seit einigen Jahren) - und in nicht allzu ferner Zukunft werden es die Weißen sein, die in den Minderheitenstatus geraten werden. Spätestens dann wird das Prinzip der "affirmative action" unter ganz neuen Gesichtspunkten debattiert werden müssen.(DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2003)