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Bush und Solana beim NATO-Gipfel in Prag im November 2002: Nun kommen zum ersten Mal seit Ende des Irakkriegs EU und die USA auf Gipfelebene zusammen

Foto: APA/epa/Mladen Antonov
Zum ersten Mal seit Ende des Irakkriegs kommen die EU und die USA in ihrem Gipfelformat zusammen: Nach den bitteren Kontroversen der vergangenen Monate deutet jetzt vieles auf politische Beruhigung hin.

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Latein statt Englisch. EU-Außenkommissar Chris Patten wird am heutigen Mittwoch nicht nach Washington reisen, um am Gipfel der Union mit den USA teilzunehmen. Er fährt stattdessen lieber nach England, um dort in einer feierlichen und auf Latein gehaltenen Zeremonie zum Kanzler der Universität von Oxford ernannt zu werden.

Auch wenn Patten für dieses Mal seinem heimlichen Konkurrenten in der EU-Außenvertretung, dem Außenpolitikbeauftragen Javier Solana, das Feld allein überlässt, so hat das nichts mit der mangelnden Brisanz des Washingtoner Treffens zu tun. Es geht um nichts weniger, als die gestörten transatlantischen Beziehungen zu reparieren.

Zum ersten Mal seit Ende des Irakkriegs kommen die EU und die USA in ihrem Gipfelformat zusammen: hier der EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sowie der griechische Außenminister und EU-Ratspräsident Georgios Papandreou mit Anhang; dort US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell mit Gefolge. Der Minister für die Aufteilung Europas in "alt" und "neu", Donald Rumsfeld, steht nicht auf der Teilnehmerliste.

Doch das Klima zwischen der Union und den USA hat sich ohnehin schon beruhigt. Zuletzt sorgten die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Griechenland für bessere Stimmung, als sie unter anderem versprachen, zur Not auch mit Gewalt gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorzugehen. "Das hat sicher geholfen. In Washington hat niemand verstanden, warum wir das Thema Massenvernichtungswaffen bisher nicht einmal als politische Priorität eingeordnet hatten", erläutert ein hoher EU-Diplomat (siehe auch Interview). Nun muss in Washington noch am Text einer gemeinsamen Erklärung gefeilt werden.

Gern hören die USA auch, dass die EU nun bereit ist, das lang geplante gemeinsame Auslieferungsabkommen abzuschließen – trotz aller Meinungsverschiedenheiten über die Behandlung der mutmaßlichen Terroristen in Guantánamo Bay. Zudem will die EU insgesamt – und nicht nur einzelne Mitgliedstaaten – US- Grenzschützern erlauben, in den Häfen der Union Container, die auf die Reise über den Atlantik gehen, schon im Vorfeld auf Terrorverdächtiges zu untersuchen. Selbst in die Weitergabe von Daten aus Flugzeugpassagierlisten dürfte Brüssel nun einwilligen.

Gerichtsverfahren

Noch am Wochenende hatte auch die belgische Regierung den Regierungsmitgliedern in Washington ein Zugeständnis gemacht, in dem sie das umstrittene Gesetz zur universellen Aburteilung von Kriegsverbrechern in Belgien abschwächte. Kläger hatten bereits versucht, auch Bush unter diesem Gesetz vor Gericht zu bringen, woraufhin US-Verteidigungsminister Rumsfeld die Gelder für den Neubau des Nato-Hauptquartiers in Brüssel sperrte.

Dessen führender Bewohner, Nato-Generalsekretär George Robertson, machte den Europäern unterdessen am Dienstag noch einmal deutlich, woran es ihnen in Wahrheit fehlt: an militärischem Gewicht. "Die Amerikaner werden zuhören, wenn wir so ausgerüstet sind, dass wir mit ihnen gemeinsam vorgehen können", sagte Robertson bei einer Tagung in Berlin.

Die USA selbst nutzen derweil ihr Gewicht weiter zum Verdruss der EU, um die Stellung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu untergraben. Am Dienstag drohten sie Serbien mit der Streichung der Militärhilfen, falls Belgrad US-Soldaten nicht Immunität vor dessen Gerichtsbarkeit gewährt. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2003)