Ruth Klüger: Auftakt zum Ingeborg-Bachmann-Preis.

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Klagenfurt - In Klagenfurt sind sie gerade dabei, es wieder zu tun. 14 Autoren lesen hier bis Samstagnachmittag vor Publikum und Jury um den 36. Ingeborg-Bachmann-Preis. Dieser wird am Sonntag vergeben.

Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt gehört es zu den zuweilen gefürchteten Ritualen dieses Literaturwettbewerbs, dass ihn ein renommierter Autor mit der "Klagenfurter Rede zur Literatur" eröffnet. Während Preisträger und Jurys kommen und gehen, brennen sich diese Eröffnungsreden ins Gedächtnis ein.

Auch die Rede der in den USA und Göttingen lebenden Germanistin und Autorin Ruth Klüger - sie las sie nicht vom Blatt, sondern aus ihrem Kindle - wird bleiben.

Ausgehend von Ingeborg Bachmanns bekanntem Ausspruch, dass die Wahrheit den Menschen zumutbar sei, schlug Klüger von Goethes Dichtung und Wahrheit über das aufgeklärte Denken eines Lessing den Bogen zu Bachmanns Erzählungen Ein Wildermuth, Undine geht und Drei Wege zum See.

"Was wahr ist, streut nicht Sand in deine Augen", zitierte Klüger die Namensgeberin des Wettbewerbs.

Bachmanns Texte, so Klüger "drängen uns zum Weitertasten, Weiterfühlen, auch dorthin, wo die Sprache nicht mitkann". Es geht um den "Stolz dessen, der in der Dunkelheit der Welt nicht aufgibt" (Bachmann).

Weiter leben lautet der Titel des bekanntesten Buches der 1931 in Wien geborenen Ruth Klüger. Sie beschreibt darin unter anderem, wie sie aus Träumen oder einer Narkose erwacht, immer wieder auf jene Rampe in Auschwitz aufschlägt, wohin sie einst deportiert worden war.

Die Dichtung, so Klüger, "mag ein Labyrinth von Irrwegen sein, die jedoch immer noch einen Ausweg, den Weg zur Wahrheit in Aussicht stellen". Die ersten Lesungen von Stefan Moster, Hugo Ramnek und Mirjam Richner führten dann von der Wahrheit zurück auf den Boden der Realität und in die Unabwägbarkeiten der Literaturkritik.  (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 6.7.2012)