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Der Herr am Bild sitzt zwar in Las Vegas, doch auch in Österreich gibt es Automatenglücksspiel. Es gilt als besonders suchtgefährdend.

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Wien - Mit der umstrittenen Novellierung des Glücksspielgesetzes (GSpG) 2010 wollte der Gesetzgeber das illegale - und suchttechnisch höchst problematische - Automatenspiel eindämmen und den Spielerschutz erhöhen. Tatsächlich geht die "Soko Glücksspiel" des Finanzministeriums hart gegen illegale Anbieter vor, hat schon 3.000 Geräte (vorläufig) beschlagnahmt. Für Berater Andreas Kreutzer, der auch für den Automatenanbieter Novomatic gearbeitet hat, aber nur ein Pyrrhussieg, denn insgesamt wurde 2011 in Österreich mehr gezockt. Große Profiteure waren das Monopol (Casinos und Lotterien) sowie das Online-Gambling, wo allerdings um mehr Geld und unlimitierter gespielt werden darf. Massive Kritik übt Kreutzer an den Anwandlungen der SPÖ, die sogenannten Landesausspielungen gänzlich verbieten zu wollen.

Er finde es "schäbig", dass die Politik "unter dem Deckmantel des Spielerschutzes" versuche, die Glücksspieleinsätze in bestimmte Bereiche zu kanalisieren, so Kreutzer am Donnerstag bei der Präsentation einer Studie in Wien. "Das stinkt für mich zum Himmel." Vor allem meint er damit die junge Wiener "Sektion 8" der SPÖ, die ja in der Bundeshauptstadt durchgebracht hat, dass nach Auslaufen des kleinen Glücksspiels keine neuen Lizenzen mehr vergeben werden, einarmige Banditen also verboten werden.

Bundessache

Mit dem neuen Glücksspielgesetz ist das Automatenspiel Bundessache, allerdings dürfen die Länder selbst entscheiden, ob sie überhaupt Lizenzen dafür vergeben. Bis dato ist das kleine Glücksspiel nur in Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten erlaubt, trotzdem stehen in ganz Österreich tausende illegale Automaten. Durch die "Soko"-Aktivitäten ist deren Anzahl zwar gegenüber dem Vorjahr von 6.000 bis 7.000 auf 3.000 bis 4.000 zurückgegangen und wird, da nach Nieder- und Oberösterreich auch das Burgenland bald Konzessionen vergibt, weiter sinken, so Kreutzer. Ein Kern von 2.000 illegalen Geräte werde aber immer bleiben.

Ein Verbot des kleinen Glücksspiels, wie es die Grünen und zunehmend auch die SPÖ fordern, wäre Kreutzer zufolge jedenfalls ein "Blödsinn". "Wir lügen uns in den Sack, wenn wir glauben, dass wir dann keine Suchtproblematik mehr haben", sagte er. In einer Studie hat er durchgerechnet, was bei einem bundesweiten Verbot der Landesausspielung passieren würde: Die Leute würden insgesamt nicht weniger, sondern mehr verzocken, Berechnungen von Kreuzer Fischer & Partner (KFP) zufolge wüchse der Spieleinsatz um 210 Mio. Euro. Dies deshalb, weil beim Monopolisten, also den Automaten in den 12 Spielbanken der Casinos Austria sowie an den Video Lottery Terminals (VLT) in den WINWIN-Outlets der Lotterien um mehr Geld gespielt werden dürfe und weil es im illegalen Online-Bereich de facto keine Kontrolle gebe.

Spieleinsatz

Während in Automatensalons bisher offiziell nur um 50 Cent gespielt werden darf - die Grenze konnte aber in der Praxis leicht umgangen werden, künftig beträgt der Höchsteinsatz 10 Euro -, dürfen die VLTs der Lotterien mit 10 Euro gefüttert werden und die einarmigen Banditen in den Casinos mit bis zu 1.000 Euro. "Das ist nicht wenig", so Kreutzer. In Spielbanken gebe es außer beim Höchsteinsatz "praktisch gar keine Regelungen", wohingegen in der Landesaufstellung bei einzeln aufgestellten Automaten künftig die strengsten Spielerschutzmaßnahmen gälten.

Ein Casinos-Gerät schlucke im Jahr 1,1 Mio. Euro an Spieleinsätzen, ein VLT 510.000 Euro und ein Automat nach Landesausspielung 250.000 Euro. Wobei der Monopolist "deutlich höhere" Gewinnausschüttungsquoten habe (95 Prozent in Spielbanken und 93,1 Prozent bei WINWIN, aber nur 88 bis 89 Prozent im kleinen Glücksspiel).

Von den theoretisch "frei werdenden" 2,5 Mrd. Euro an Spieleinsätzen aus dem Automatengeschäft würden bei einem Verbot 1,1 Mrd. Euro in die Spielbanken fließen und über 700 Mio. Euro ins Internet. Über 210 Mio. Euro könnten sich die WINWIN-Casinos freuen. Überproportional profitieren würden Sportwettenanbieter (+588 Mio. Euro), Kreutzer führt das auf den massiven Ausbau der sogenannten Livewetten zurück, die, was den Nervenkitzel betrifft, einem klassischen Glücksspiel "sehr nahe" kämen. Das bestätigen auch von KFP befragte Spieler: Bei einem Verbot von Landesausspielungen würden ganze 32 Prozent "wahrscheinlich" oder "sehr wahrscheinlich" auf Sportwetten - die der österreichische Gesetzgeber nicht als Glücksspiel betrachtet - auweichen. 54 Prozent würden weiterhin an illegalen Geräten zocken, 40 Prozent würden ins Casinos gehen. Auf Online-Gaming würden hingegen nur 20 Prozent setzen. "Das ist verdammt wenig", meinte Kreutzer. Seine Erklärung: Ältere Spieler seien nicht so internetaffin, bräuchten ein terrestrisches Angebot.

Apropos Online-Gaming: Auch hier mischt der Monopolist kräftig mit: Die Lotterien-Tochter win2day (Umsatz 2012: 1,125 Mrd. Euro, +5 Prozent) hielt laut KFP 2011 bei einem Marktanteil von 49 Prozent, der Rest entfällt auf illegale Anbieter, die von 2010 auf 2011 zulegen konnten. "Ein Monopol kann den Lizenznehmer nicht vor illegaler Konkurrenz schützen", konstatiert KFP. Die Liberalisierung des Online-Gaming sei seit zwei Jahren ausständig, Kreutzer spricht von einer "Vor-und-Zurück-Taktik" der Politik.

Ruf nach Verbot ist "naiv"

Am allerwenigsten kann Kreutzer angesichts seiner Studienergebnisse den Politruf nach einem Verbot des kleinen Glücksspiels verstehen - "jetzt, wo der Spielerschutz besser wird." "Es stellt sich die Frage nach dem Treiber" und es sei "nicht auszuschließen, dass wir in ein paar Jahren wieder einen Glücksspiel-U-Ausschuss haben", ätzte er. Angesprochen auf die Wiener "Sektion 8" meinte er, er wisse nicht, "ob die wirklich so naiv sind".

Überhaupt sei das ganze Thema Glücksspiel "verpolitisiert", ein Krampf und ein Kampf. Auch das neue Glücksspielgesetz - und damit die schon mehrfach beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beeinspruchte Ausschreibung der Lizenzen - sei alles andere als "saubere Lösung". Kreutzer kann nicht verstehen, warum der Gesetzgeber noch immer keine Entflechtung zuwege gebracht hat. Sein Vorschlag: Die Lotterien verstaatlichen, die Casinolizenzen einzeln ausschreiben und Lizenzen für das Internet-Gaming vergeben. In Wirklichkeit wolle man offenbar den Status quo (das Monopol) beibehalten. "Es geht da um Unternehmensinteressen, nicht so sehr um Arbeitsplätze", so Kreutzer mit Verweis auf die Eigentümerstruktur der Casinos Austria: Die Nationalbank-Tochter Münze Österreich hält ein Drittel an der Gesellschaft, "der Rest gehört Banken und Versicherungen". Und deren Interesse wäre es wohl nicht, "wieder etwas abzuschreiben" zu müssen. (APA, 5.7.2012)