Benoît Lachambre ist auf den Hund gekommen und trägt in seinem Stück " Snakeskins" dieses schwere lederne Halsband. 

Foto: Christine Rose Divito

Der Mann ist ein Geschlecht im Umbruch. Das wird in der Körperkunst Tanz besonders deutlich sichtbar, wie Impulstanz auch diesen Sommer wieder demonstriert. Zum Beispiel mit Olivier Dubois, der bereits 2009 als sehr ambivalenter Faun im Festival aufgetreten ist.

Nun stellt der Franzose in Rouge eine richtige Abspaltung vom alten Geschlechterstereotyp auf die Bühne. Sein Körper tritt aus den ihm angelasteten Mustern heraus und wird - zu einem Megafon. Am Kipppunkt zwischen maskulin und feminin arbeitet auch Trajal Harrell aus New York in seiner Antigone, die er diesmal in zwei Stücken als "Junior" und " Senior" vorstellt.

Dieses Überschreiten der Geschlechteridentität ist ebenso ein starkes Motiv bei dem Bulgaren Ivo Dimchev, der als wüste Wandelfigur ein Concerto und ein brisantes P Project mitbringen wird.

Auch der Kanadier Benoît Lachambre untersucht die Repräsentation des Mannseins. Diesmal besonders in seinem Solo Snakeskins, einem Häutungsprozess, wie er bei Kô Murobushi schon stattgefunden zu haben scheint, wenn der japanische Butô-Tänzer als menschgewordenes Metall auftritt. Sein quecksilbrig glänzendes Fleisch zeigt eine zweite Oberfläche, die auch auf einen Aufbruch des Maskulinen hinweist.

Wenn ein soziales Geschlecht, das den Planeten bisher mit Krieg und Leid überzogen hat, "aufbricht", dann wird das kein stiller Prozess sein. Dieser Eindruck entsteht bei Johann Kresniks Francis Bacon mit Ismael Ivo in der Hauptrolle. Das Stück ist nicht als genderdiskursive Performance gedacht. Das Thema ist trotzdem darin enthalten: Das Virile wird hier überdehnt, und es zerreißt.

Da wirkt eine teuflische Energie, wie sie von Koffi Kôkô als notwendiger Widerpart zur himmlischen gefeiert wird. Der Voodoo-Kardinal und brillante Performer aus Benin kümmert sich nicht um die Genderarbeit des Westens. Aber seine Darstellung einander widersprechender und daher bedingender Kräfte zeichnet das Paradoxon als Normalzustand komplexer Denkweisen auf.

Mit reichlich britisch-italienischem Humor und beinahe entgegengesetztem Zugang tun das zwei sehr westliche Männer auch: Jonathan Burrows und Matteo Fargion, wenn sie gemeinsam bis hundert zählen. Ganz in den Bruch der männlichen Repräsentation gehen dann wieder Mark Tompkins in seiner Show Opening Night - a vaudeville und Miguel Gutierrez in seinem Aufschrei, der stellvertretend für das maskuline Geschlecht gilt: Heavens What Have I Done! (Helmut Ploebst, Sonderthema/Beilage, DER STANDARD, 6.7.2012)