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Das syrische Oppositionstreffen in Kairo: Zu diesem Zeitpunkt war noch alles friedlich, später wurden Teilnehmer handgreiflich.

Foto: dapd/Nabil

Bei einer Konferenz in Kairo gab es nicht nur kein nennenswertes Ergebnis, sondern handfeste Auseinandersetzungen.

 

Kairo/Damaskus/Wien - Die Hoffnung, dass sich mit einer neuen Führung des Syrischen Nationalrats (SNC) die Opposition konsolidieren würde, hat sich Dienstagnacht in Kairo zerschlagen: Nicht nur, dass die inhaltliche Ausbeute des Treffens denkbar gering war, es kam sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen Teilnehmern. Die syrischen Oppositionellen misstrauen einander so sehr, dass die einen die anderen verdächtigen, den Zwischenfall absichtlich provoziert zu haben, um der Sache zu schaden.

Auslöser des Zwists war der Auszug von Kurden aus der Konferenz, die ihre nationalen Aspirationen für die Post-Assad-Zeit nicht erfüllt sehen. Es war gehofft worden, dass das Vertrauen der Kurden angesichts des neuen SNC-Chefs Abdulbaset Sida, der Kurde ist, wachsen würde. Die meisten Kurden stehen dem syrischen Regime, das vielen von ihnen die Staatsbürgerschaftsrechte verweigert, negativ gegenüber. Aber die starke Rolle der Türkei in der Allianz gegen Assad stößt vor allem jene Kurden ab, die der PKK nahe stehen. Außerdem fürchten viele, dass das neue Syrien noch "arabischer" sein könnte als das alte - und minderheitenfeindlich.

Zwar hieß es in Kairo, man habe sich auf Grundzüge, wie das Post-Assad-Syrien aussehen sollte, geeinigt. Aber nach dem Verlesen des Schlusskommuniqués gaben etliche Oppositionelle dazu Einzelerklärungen ab, die einander widersprachen. Sida versicherte, die Unterstützung der Free Syrian Army sei einhellig. Am SNC - dem vorgeworfen wird, von den Muslimbrüdern dominiert zu sein - scheiterte jedoch die Bildung eines Oppositionskomitees auf breiterer Basis. Denn dieses Komitee hätte wohl die SCN-Rolle als wichtigster Repräsentant der Opposition geschmälert.

Die Opposition streitet auch über die Frage, ob sie die internationale Gemeinschaft um eine Intervention in Syrien ersuchen soll, und um die Rolle der Religion im neuen Syrien. Von einem Teil der syrischen Diaspora wird geleugnet, dass der Aufstand auch eine sunnitisch-islamische Konnotation hat. In der Tat ist schwer zu beurteilen, ob der Islam im Moment nicht nur hauptsächlich Mittel der Mobilisierung gegen den Alawiten Assad ist. Andererseits rechnet kaum jemand damit, dass Syrien als Staat, in dem der Islam nicht Staatsreligion ist, bestehen bleibt.

Der einzige Konsens in Kairo war also einmal mehr, dass eine Lösung nur im Abgang von Assad bestehen kann - etwas, was die Aktionsgruppe der Freunde Syriens am Samstag in Genf auf Druck Moskaus nicht so klar gesagt hatte. Sie ließ offen, ob Assad an einer von der Aktionsgruppe geforderten Übergangsregierung beteiligt sein könnte oder nicht. Russland führt weiter alle Behauptungen, dass es von Assad abrücken könnte, ad absurdum. An einem Treffen der "Freunde Syriens" am Freitag in Paris wird es nicht teilnehmen.

Für die internationale Gemeinschaft bedeutet das Scheitern von Kairo, dass sie weiter ohne Partner auskommen muss, von dem sie sagen kann, dass er Syrien repräsentiert. Das Vertrauen schwindet, dass im Fall eines Sturz des Regimes eine nationale Einheit hergestellt werden kann. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, 5.7.2012)