Vorsicht, mit ihr ist nicht zu spaßen: Kathy Bates als zynische Anwältin in "Harry's Law".

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Produzent David E. Kelley: Von "Ally McBeal" bis "Harry's Law".

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Wien - "Ich weiß", sagt Harry: "Die Moral von der Geschichte kommt erst zum Schluss." Harry liegt am Sofa, einen Becher Kaffee, eine Zigarette, vor ihr bäumt sich ein Schreibtisch mit Essensresten, umgekippten Plastikflaschen und einem Haufen Akten auf. "Aber wenn ihr mich fragt, kommt sie manchmal schon am Anfang oder in der Mitte. Doch oft kapiert man sie erst am Schluss."

Erst ganz am Schluss hat wahrscheinlich auch David E. Kelley kapiert, worauf seine Heldin in der Eingangsszene von "Harry's Law" (Donnerstag, 23.05 Uhr auf Sat.1) anspielte und was im Fernsehgeschäft von Anfang an klar war: Die Gesetze des Marktes sind nicht mehr wie früher. Ein Flop ist nicht mehr ein Flop, wenn die Zuschauer insgesamt fernbleiben. Er ist es dann, wenn die richtigen Zuschauer nicht zuschalten.

Von vorne: David E. Kelley gehört zu Amerikas berühmtesten TV-Produzenten. Von ihm stammen Serienhits wie "Doogie Howser MD", "Picket Fences", "Chicago Hope". Und natürlich "Ally Mc Beal". Nach ihr wurde gleich eine ganze Generation Frauen benannt, die ihr Recht auf Effizienz bei gleichzeitigem Chaos einforderte. Für dieses im Detail doch eher zweifelhafte Frauenbild einer Hauptfigur, die für den Preis des beruflichen Erfolges im Privatleben dauernd peinlichst scheitern musste und dabei samt Kolleginnenschaft hart an der Grenze zur Magersucht agierte, musste Kelley Prügel einstecken. Doch zweifellos schaffte der studierte Rechtsanwalt Ende der 1990er-Jahre mit Talent zum bisweilen absurden Dialogwitz einen Richtungswechsel: Die nach ewig gleichem Heldenschema funktionierenden Anwaltserien waren fortan abgelöst.

"Boston Legal"

Sein Meisterstück lieferte der 56-Jährige mit "Boston Legal" ab: Unter der Riege der fixfertigen Anwälte glänzte William Shatner in einer schrägen Altersrolle. Eine ebensolche war für Kathy Bates als raue Strafverteidigerin in "Harry's Law" vorgesehen.

Die Oscar-Preisträgerin war bereit und stand ihrem Vorgänger um nichts nach. 34 Folgen verhilft Harriet Korn als schneidig-weibliche Interpretation von Dirty Harry den sozial Schwachen zu ihrem Recht und schreibt sich als wahrscheinlich coolste Anwältin in die Fernsehgeschichte ein. Einst erfolgreiche Patentanwältin, kommt ihr am Beginn die "bedauernswerte, aber nicht überraschende" Erkenntnis: "Ich würde lieber in den Spiegel schauen und zusehen, wie mir die Zähne verfaulen, als noch einen Patentrechtsfall zu übernehmen." Also macht Harry den ersten Schritt in Richtung neues Leben. Der wird nach typisch Kelley'scher Manier jäh unterbrochen, worüber an dieser Stelle zu schweigen ist. Der Zwischenfall bildet jedenfalls den Ausgang zu einem abwechslungsreichen juristischen Spießrutenlauf für den guten Zweck. Erfrischend, bissig und mit wohldosiertem Einsatz von Sentiment: Das fand auch das Publikum. "Harry's Law" erzielte bei NBC tadellose Quoten - und erlebte trotzdem nur zwei Staffeln. NBC sucht jüngeres Publikum, und dieses verschmähte die Rechtsdiva. Aus, Schluss, vorbei: Gesetze des Marktes.

Kelley hat sich in der Zwischenzeit von den Anwälten ab- und einem anderen Allgemeinplatz im Fernsehen zugewandt: Für den Sender TNT entwickelt er die Arztserie "Monday Mornings" über den Klinikalltag von geforderten Neurochirurgen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 5.7.2012)