In den letzten Jahren beschäftigte ich mich sehr intensiv mit der Glaubenslehre, wie sie von Rom gelehrt wird, mit dem dahinterstehenden Rechtssystem und der Geschichte der katholischen Kirche und des Papsttums.* In den folgenden Punkten möchte ich die wichtigsten Ergebnisse aufzeigen.

Aufklärung und Glaube

Der Glaube, wie er von Rom gelehrt wird, ist mit dem derzeitigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand unverträglich und für einen aufgeklärten, in der Sprache der heutigen Zeit denkenden Menschen nicht glaubbar, aber sehr wohl sind hinter dieser Glaubenslehre stehende wesentliche Glaubensinhalte glaubbar und versprechen uns Heil und Erlösung.

Das Rechtssystem (der Codex Iuris Canonici) und die Autorität des Papstes lassen sich nicht aus dem Evangelium ableiten, sehr wohl aber eine Kirche, die den Anspruch erhebt, katholisch (global) zu sein, und eines globalen Leitungsorganes und eines Leitbildes bedarf.

Die Rechte des Klerus und der Laien sind in Hinblick auf Mitwirkung und Menschenrechte auf der Stufe ähnlich der Leibeigenschaft stecken geblieben.

Sichtbare Spaltung

Für viele gläubige, aber aufgeklärte und kritisch denkende Katholiken

  • wird alles, was aus Rom an Glaubenslehre, Geboten und Verboten kommt, mit grundsätzlicher Skepsis betrachtet,
  • wird der Papst nicht als Stellvertreter Christi auf Erden und mit Unfehlbarkeit ausgestattet gesehen,
  • hat Rom den Anspruch, die allein seligmachende und immerwährende Wahrheit zu verkünden und zu praktizieren, schon längst verloren,
  • wird Gott und dann dem gebildete Gewissen und dann der kirchlichen Ordnung Gehorsam geleistet,
  • ist deutlich eine horizontale Spaltung unserer Kirche sichtbar geworden: oben die überwiegende Mehrzahl der Hierarchen und einige romtreue Kleriker und Laien, unten eine Minderheit der romtreuen Kleriker und Laien und die Mehrheit der anderen Kleriker und Laien.

Pfarrer Peter Meidinger folgt seinem Gewissen, so wie viele aktive Katholiken in Österreich. Und er wird gemaßregelt, weil er die Umsetzung der Botschaft Jesu in unserem Leben hier und heute fordert. Meine rhetorische Frage: Was denkt sich der Kardinal dabei? (Wolfgang Oberndorfer, derStandard.at, 4.7.2012)