Etliche Kulturbauten in Osteuropa sind Rekonstruktionen oder Repliken: die Altstadt von Warschau mit dem Königsschloss oder das Zarenschloss Peterhof bei St. Petersburg. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört - mit Absicht. In Peterhof wütete die Wehrmacht; man wusste, dass Hitler ganz Leningrad (vormals St. Petersburg) dem Erdboden gleichmachen wollte. Die weitgehende Zerstörung Warschaus geht auf Hitlers direkten Befehl zurück, dasselbe Schicksal hatte er für Paris vorgesehen.

Soll heißen: Auch Europa hat unfassbare, bewusste und systematische Vernichtungsorgien gegen kulturelles Erbe aufzuweisen. Heute sind es Islamisten, fanatische Jihadisten, die Krieg gegen Kulturdenkmäler führen. Die Sprengung der riesigen Buddhastatue im afghanischen Bamian durch die Taliban ist noch in Erinnerung. Da ging es allerdings gegen eine andere Religion.

Die Islamisten im afrikanischen Mali, die jetzt die Mausoleen islamischer Heiliger zerstören, versuchen damit eine Richtung des Islam zu treffen, die ihnen lau und viel zu liberal erscheint. Und selbstverständlich ist das eine höhnische Auftrumpfgebärde gegen den Westen, der die kunstvollen Lehmbauten über die Unesco unter Schutz gestellt hat. Proteste nutzen bei dieser Sorte Fanatiker nichts. Trotzdem würde man es irgendwie gut finden, gäbe es nun einen breiten, massiven Aufschrei in der islamischen Welt. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 3.7.2012)