Howe Gelb veröffentlicht mit Giant Giant Sand ein neues Album und kommt mit der zwölfköpfigen Formation nach Wien.

Foto: giantsand.com

Wien - Der verstorbene britische Radio-DJ John Peel urteilte über eine seiner Lieblingsbands einst so: "They are always the same, but always different." Immer dasselbe, aber immer anders, das sagte Peel über The Fall. Die US-Band Giant Sand ließe sich ebenso beschreiben.

Aus der Wüstenstadt Tucson in Arizona kommend, arbeitet deren Mastermind Howe Gelb seit bald 30 Jahren an der Welteroberung. Mit einer Mischung aus Traditionalismus und einem vom Punk kommenden Dekonstruktivismus haben Gelb und Giant Sand über die Jahrzehnte bald 30 Alben veröffentlicht. Da sind jene nicht mitgezählt, die er unter eigenem Namen produziert hat. Insgesamt kommt Gelb wohl auf 60 Alben.

Giant Sand war zudem die Keimzelle von Calexico. Deren Joey Burns und John Convertino waren bei Giant Sand, bevor ihnen als Calexico tatsächlich die Welteroberung glückte; mit einer Neudeutung von US-amerikanisch-mexikanischer Grenzlandmusik. Howe Gelb, heißt es, drückt dieser Schuh bis heute.

Wie ähnlich sich die beiden Formationen über die Jahre immer noch sind, belegt nun das jüngste Opus von Giant Sand. Für "Tucson - A Country Rock Opera" stockte Gelb die Population seiner Mannschaft auf und nennt diese aktuell Giant Giant Sand.

Logisch, dass man für eine Oper einen ordentlichen Stab braucht. Die Zeichnung am Cover des Albums zeigt eine Discokugel, die zwischen Kakteen in der Wüste hängt. Desert-Disco, ein Stil, der noch zu erfinden wäre. Doch dort zieht es den 56-Jährigen nicht hin. Der Erwartung "always the same, always different" entsprechend, hört man jenen minimalistischen Countryrock, auf dem so viele Giant-Sand-Alben aufbauen.

Zu gebeserltem Schlagzeug zupft er vital und fantasievoll seine verwitterte Gitarre. Die große Geste der Aufgabe "Country-Rock-Opera" schultern derweil die Streicher und die Bläser. Sie eröffnen damit jene Weiten, die einem das innere Auge beim Erklingen dieser Musik liefert: die Weite der Wüste, in deren Oasen Gelb und seine Band ihre Songs nähren. Live ist das Projekt am 14. August in der Wiener Arena zu erleben.

Die Musik auf diesem Album besitzt durchaus cinemascopische Qualitäten. Denn so intim manche der Gelb'schen Kleinode auch klingen, mit ein, zwei Riffs bricht der zart Ergraute aus ihnen aus und reißt das Panorama auf bis zum Horizont. Oder er verzichtet darauf.

Alte Bekannte

Dann verlaufen sich die Lieder in Kammer-Country. Doch anders als in der behutsamen Art, wie etwa die verwandten Lambchop das zelebrieren, legt Gelb die Cowboystiefel insistierend auf den Tisch. So viel Punk ist in Gelb immer noch vorhanden.

Auch alte Bekannte trifft man auf "Tucson". Etwa das Lied "Thing Like That" von einem der besten Giant-Sand-Alben - "Center of the Universe", 1992 - wird hier in einer von Slide-Gitarre und Streichern dominierten Fassung neu interpretiert. Gleichzeitig belegt die Hereinnahme eines so alten Stücks die zeitlose Qualität von Gelbs Musik, der - wie Dylan - die eigenen Songs gerne verändert, zerstört und neu montiert.

In den mittleren 1990er-Jahren hat er das aber übertrieben und seine recht umfangreiche Fanbase mit destruktivem Dekonstruktivismus fast genauso verloren wie seine Mitstreiter Burns und Convertino. Heute halten sich derlei Schübe in kontrolliertem Rahmen; Gelb kann immer noch aberwitzig sein, aber man hält ihn sicher nicht mehr für vollständig durchgeknallt.

"Tucson - A Country Rock Opera" läuft zumindest auf Platte nicht Gefahr, aus dem Ruder zu laufen. Mitunter wirkt es sogar eine Spur zu gesetzt, aber live wird das dann wieder ganz anders werden. (Karl Fluch, DER STANDARD, 3.7.2012)