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Nach seinen Wahlversprechen muss Frankreichs Präsident François Hollande einen harten Sparkurs einschlagen. Der Rechnungshof hat ein schwarzes Loch in der Staatskasse ausfindig gemacht.

Foto: APA/EPA/Christophe Ena

Wenn Frankreich seine europäischen Verpflichtungen einhalten will, muss es laut dem Pariser Rechnungshof drastische Sparmaßnahmen erlassen. Ein Teufelskreis für Präsident Hollande.

 

Paris - François Hollandes fette Jahre dauerten gerade mal 40 Tage: So lange erfüllte der neue französische Präsident einige Wohlfühl-Wahlversprechen - er hob den Mindestlohn an, senkte das Rentenalter für Langzeitarbeiter auf 60 Jahre und ließ Stellen für zusätzliche Lehrer, Polizisten und Richter ausschreiben.

Am Montag haben in Frankreich nun die mageren Jahre begonnen. Der Rechnungshof in Paris stellte in einem 250-seitigen Bericht zweierlei fest: In der Staatskasse klaffe ein schwarzes Milliardenloch; um es zu füllen, sind "noch nie dagewesene" Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen nötig, wie der oberste Rechnungshüter Didier Migaud - ein Sozialist wie Hollande - erklärte. Das heißt, die Linksregierung in Paris muss eine Politik betreiben, deren Namen für sie fast ein Schimpfwort war - Austerität.

Hollande hatte den Kassensturz selbst in Auftrag gegeben, in der Hoffnung, seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy die Schuld am Schuldenloch zuschieben zu können. Doch der Rechnungshof fand über die krisenbedingten Mehrausgaben hinaus keine neuen Leichen im Keller. Nur die bisherigen Wachstumsprognosen der französischen Wirtschaft - 0,7 Prozent 2012, 1,7 Prozent 2013 - hält der Cour des Comptes für übertrieben. Er geht von 0,4 Prozent heuer und 1,0 Prozent im nächsten Jahr aus.

Und das ändert alles. Bis zum Jahresende werden dem Staatshaushalt rund acht, 2013 sogar 33 Milliarden Euro fehlen. Damit würde Hollande das Wahlversprechen verpassen, das auch die deutsche Regierung am meisten interessiert: die Senkung des Budgetdefizites auf heuer 4,5 Prozent, drei Prozent 2013 und bis auf null im Jahr 2017.

Die Regierung muss deshalb bis Mittwoch, wenn sie den Haushalt 2012 bereinigt, zwischen sechs und zehn Milliarden Euro auftreiben. Hollande hatte im Wahlkampf bereits klargemacht, dass er die Besserverdiener zur Kasse bitten wird, um die "Steuergerechtigkeit" zu erhöhen. Vorgesehen ist eine ganze Armada an Maßnahmen: eine Dividendensteuer für Aktionäre, höhere Abgaben bei Erbschaften und Überstunden, eine Finanztransaktionssteuer, höhere Vermögenssteuern und höhere Spitzensteuersätze auf Einkommen.

Doch dies alles genügt nicht: Laut dem Rechnungshof wird es "nur mit Mühe zu vermeiden sein", auch die Mehrwertsteuer anzuheben. Pariser Medien nennen diesen Rat einen "Keulenschlag" für Hollande. Der Staatschef hatte an sich vor, die von Sarkozy auf 20,6 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer zu senken, um die Mittelklasse und Schlechtverdiener zu entlasten.

Und selbst mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer ließe sich, wie der Rechnungshof schätzt, nur die Hälfte des Fehlbetrags von 33 Milliarden im Jahre 2013 decken. Die andere Hälfte müsste durch Einsparungen im öffentlichen Dienst zustande kommen. Und da Hollande allein im Bildungsministerium 60.000 Lehrer neu einstellen will, müssen andere Ministerien mindestens im gleichen Maß dafür büßen. Nun soll nur einer von drei in Rente gehenden Staatsbeamten ersetzt werden.

Die einflussreichen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes realisieren erst gerade, was die Stunde geschlagen hat. Gegen ihre erwarteten Massenproteste kann Hollande nun den Bericht des Rechnungshofes hochhalten wie der Pfarrer das Kreuz: Darin steht schwarz auf weiß, dass die einzige Alternative zur Posteneinsparung im Staatsdienst Lohnsenkungen wären - und das würden die Gewerkschaften noch weniger hinnehmen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 3.7.2012)