Buchtipps für alle, die sich in den Ferien mit Gesundheit im engeren und weiteren Sinne beschäftigen wollen

An die Nieren gehen

Krankheit kann die Triebfeder für einen guten Krimi sein. In "Tod sei Dank" erzählt die australische Autorin Helen Fitzgerald die Geschichte der Zwillingsschwestern Kay und Georgie, die mit 16 Jahren entdecken, dass ihre Nieren nicht mehr funktionieren und sie nur duch eine Organtransplantation gerettet werden können. Ihr Vater Will, ein bis dahin wenig ambitionierter Mann, macht sich auf die Suche nach Nierenspendern für seine Töchter, die er seit deren drittem Lebensjahr allein erzieht. Er selbst kommt nicht infrage, deshalb engagiert er einen Detektiv, der die Mutter der Mädchen finden soll. Und damit beginnt auch eine wüste Familiengeschichte, denn die Mutter der Mädchen lebt als Junkie und wartet nur auf den Tag, an dem ihr Freund, ein Schwerverbrecher, aus dem Gefängnis entlassen wird. Gerade diese Kombination verschiedener Welten macht die Lektüre reizvoll.

Es gelingt Fitzgerald, die unterschiedlichen Charaktere ihres Romans in ihren jeweiligen Schwäche im Roman zu verankern, eine gute Dosis schwarzer Humor ist aber immer dabei. Im Organtransplantationskrimi werden aber auch durchaus tabubehaftete Fragen aufgeworfen, etwa die Entscheidung, welches der beiden Mädchen nun eher gerettet werden soll: die unkomplizierte Nette oder die, die schon immer Probleme gemacht hat. (pok, DER STANDARD, 2.7.2012)

Buch: Helen Fitzgerald: "Tod sei Dank". Verlag Galiani Berlin 2012, 268 S., 19,60 Euro

Foto: Buchcover Galiani 2012

Alt werden kann auch cool und sexy sein

Älter werden ist immer noch die einzige Möglichkeit, lange zu leben: Das sagte schon Hugo von Hofmannsthal. Also bleibt, will man nicht jung sterben, keine andere Chance, als sich mit Entwicklungen in Körper und Geist ab 50 auseinanderzusetzen. Viele Menschen haben eine Abscheu davor, denn in den meisten Büchern wird nur der drohende Verfall beschrieben, das Zwicken, das unweigerlich auftritt, und dass man mit all dem und der drohenden Einsamkeit irgendwie zurechtzukommen hat. Altwerden ist nicht sexy und völlig uncool.

Was wir meistens übersehen: Das sind nur Vorurteile. Der Neurobiologe Martin Korte nennt einige davon: "Die Mehrzahl an Menschen hat kein Interesse an Sexualität" oder "Die Mehrheit älterer Menschen fühlt sich elend". Er beweist das Gegenteil anhand von Studien und Fallbeispielen und zeigt auf, was wirklich im Kopf passiert, dass das Älterwerden nämlich keine Einbahnstraße ist, an deren Ende der Verfall stehen muss. Wer früh genug dagegensteuert, wird das Leben nach 50 nicht als die Pein empfinden, als die es immer wieder dargestellt wird. Alt werden ist also eine Einstellungssache und eine Sache, auf die man sich vorbereiten sollte. Zum Beispiel mit einem geistigen Fitnesstraining, am besten schon ab 50. Denn was dem Gehirn gut tut, nützt zum Beispiel auch dem Herzen. (pi, DER STANDARD, 2.7.2012)

Buch: Martin Korte: "Jung im Kopf". DVA 2012, 327 S., 20,60 Euro

Foto: Buchcover DVA

Treibstoff für den Organismus

Der Grundstein für ein gesundes Leben wird in der Kindheit und Jugend gelegt. Dazu gibt es viele Studien, aber wenige Initiativen, die das entsprechende Wissen auch an Kinder vermittelt. Und Hand aufs Herz: Auch viele Erwachsene wissen nicht, wie der menschliche Organismus funktioniert. Was genau sind Enzyme? Woraus besteht die Darmflora? Warum ist hohes Cholesterin eigentlich schlecht? Der Arzt und Buchautor Dietrich Grönemeyer versteht sich darauf, komplexe Körperfunktionen in einfachen Worten zu erklären.

Das hat er in vielen seiner Bücher hinlänglich bewiesen. Diesmal hat er sich die Verdauung vorgenommen und will Kindern in anschaulicher Weise erklären, was gut und was schlecht für den Körper ist. Damit das nicht zu moralisch wird, hat er Kinderreporter eingeführt, die Comicfiguren Spekki Bulletti als böse Kraft und den Kleinen Medicus als guten Geist im Buch etabliert. Gespickt mit vielen Zeichnungen ergibt sich daraus eine Art Nachschlagewerk für Körper-Wissen im weitesten Sinne. Und weil es ja um gesundes Essen geht, gibt es auch Know-how zu Nahrungsmitteln und viele Rezepte zum selber nachkochen dazu. Und wenn es schon Kinder nicht selbst lesen, dann sollten doch ihre Eltern wissen, was drinnensteht, um im Anlassfall die richtigen Erklärungen parat zu haben. (pok, DER STANDARD, 2.7.2012)

Buch: Dietrich Grönemeyer: "Wir Besser-Esser". S. Fischer 2012, 279 S., 20,60 Euro

Foto: Buchcover S. Fischer Verlag

Ein blaues Wunder erleben

Hans-Ulrich Grimm ist einer der schärfsten Kritiker der industrialisierten Nahrungsmittelindustrie. In Büchern wie "Die Ernährungslüge" oder "Vom Verzehr wird abgeraten" prangert der ehemalige Spiegel-Redakteur die Machenschaften der internationalen Großkonzerne an. Ein wirkliches Kontrastprogramm dazu ist sein neuestes Buch mit dem Titel "Leinöl macht glücklich". Diesmal kritisiert Grimm nicht, sondern preist die Vorzüge einer alten Kulturpflanze, die bis vor gar nicht allzu langer Zeit eine große Rolle spielte.

Aus der Leinpflanze wurden Fasern für die Leinenproduktion gemacht, aus den Samen Öl gepresst. Leinöl war aber auch ein altes Hausmittel bei Bluthochdruck, Allergie, Ateriosklerose, sogar bei manchen Arten von Krebs soll es eine unterstützende Wirkung haben. Die Pflanze ist sogar tief im deutschen Wortschatz verankert. Wer "ins Blaue fuhr", fuhr überland durch blühend blaue Flachsfelder, Grimms Buch ist also eine Hommage an den Lein, ein Ausflug in die Vorzüge der guten Omega-3-Fettsäuren und der Versuch, die Menschen an alte Traditionen zu erinnern. Leinöl ist nicht zuletzt wegen seiner kurzen Haltbarkeit aus den Geschäften verschwunden. Vor allem aber ist es auch ein liebevoll gestaltetes Bändchen, das ein Stück verlorene Kulturgeschichte (plus Rezepte) wiederbelebt. (pok, DER STANADARD, 2.7.2012)

Buch: Hans-Urlich Grimm: "Leinöl macht glücklich". Menssana 2012, 173 S., 18,50 Euro

Foto: Buchcover Menssana 2012

Die Lust an der Magerkeit

Dünnsein ist das Schönheitsideal in der westlichen Überflussgesellschaft und Diäten für nahezu jeden eine Selbstverständlichkeit. Wie leicht es ist, Maß und Ziel vom Abnehmen aus den Augen zu verlieren, beschreibt Caroline Wendt. Sie ist die Mutter von Zwillingstöchtern, die beide in der Pubertät an Anorexie erkrankten und so lange hungerten, bis sie in Spezialkliniken eingeliefert werden mussten. Wie schleichend dieser Prozess abläuft, wie machtlos Angehörige sind und wie viel Sprengstoff Anorexie für ein Familienleben bedeutet, macht die betroffene Mutter deutlich. In diesem Buch geht es um Liebe und Schuldgefühle, um Kontrolle und Selbstwert, um Kräftemessen und Wettstreit. Wendt ist keine Schriftstellerin, sie verdichtet nicht, sondern beschreibt die Facetten der Misere in epischer Breite.

Ihre Tagebuchaufzeichnungen dienten ihr dabei als Grundlage. Der Kampf um die Klinik, die Lügen, die Wahl der richtigen Ärzte und Psychotherapeuten, Rückschläge und Hoffnungen: Irgendwann ist das Buch ein recht authentischer Psychokrimi, der seine Leser dem Happy End entgegenfiebern lässt. Und das gibt es, denn beide Töchter haben die Erkrankung überlebt. Wendts Buch ist auch ein Plädoyer für Verständnis und eine Einladung, Vorurteile gegen Magersüchtige abzubauen. (pok, DER STANDARD, 2.7.2012)

Buch: Caroline Wendt: "Ich kann nicht anders, Mama". Droemer/Knaur 2011; 283 S., 10,30 Euro

Foto: Buchcover Droemer Knaur 2011