Wien - Die grüne Parteispitze hat sich endgültig auf die Unterstützung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) festgelegt, der am Mittwoch im Parlament verabschiedet werden soll. "Ich werden dem grünen Klub heute die Zustimmung zu den Verträgen empfehlen", sagte Grünen-Chefin Eva Glawischnig nach einer Sitzung mit den Spitzen der Koalition Montagfrüh. Die von den Grünen mitverhandelten Mitspracherechte des österreichischen Parlaments seien "europaweit einzigartig", darüber hinaus habe es Zusagen der Regierung gegeben, sich für eine wirtschaftspolitische Neuorientierung der EU sowie die Abhaltung eines Konvents einzusetzen.

Die SPÖ/ÖVP-Regierung benötigt die Stimmen einer Oppositionspartei, um die verfassungsrechtlich gebotene Zweidrittelmehrheit für die Verabschiedung der Begleitnovelle und Veränderungen im EU-Grundlagenvertrag zu erreichen. Der permanente Euro-Rettungsschirm soll Krisenstaaten wie Griechenland und Spanien bei der Finanzierung ihrer Verbindlichkeiten helfen. Österreich wird im Rahmen des ESM mit zusammen 19,5 Mrd. Euro haften, zusätzlich zu 21,6 Mrd. Euro an Zusagen, die für den provisorischen Rettungsschirm EFSF abgegeben wurden. Dieser soll nach dem aktuellen Stand noch wenigstens ein Jahr weiterbestehen.

Fekter deutete Entgegenkommen an

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte zuvor ein Einlenken der Regierungsparteien auf politische Bedingungen der Grünen zum ESM angedeutet. Das künftige Banken-Insolvenzrecht und der Fiskalpakt erforderten Änderungen des Lissabonner Vertrags, "die intensiv diskutiert gehören", sagte die Finanzministerin vor der Beratung der Regierungsparteien mit den Grünen. Deshalb werde sich die Regierung für die Abhaltung eines EU-Konvents einsetzen.

Das entspricht einer verbliebenen Kernforderung der Grünen dafür, dass sie der Koalition die Zweidrittelmehrheit verschaffen. Eine andere Forderung war die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, für die bis Jahresende ein Vorschlag auf dem Tisch liegen soll.

"Eine breite Mehrheit der Österreicher will nicht aus dem Euro und der EU heraus", sagte Fekter. Mit den beiden Regierungsparteien und den Grünen sei eine "breite Mehrheit" für diesen Kurs gesichert. Die Mitspracherechte des österreichischen Parlaments beim ESM seien im Europavergleich die größten, erklärte die Finanzministerin.

Faymann bedankt sich

"Europa braucht die Zustimmung (zum ESM) von allen (europäischen) Ländern zum Schutz gegen Spekulanten und gegen die Finanzmärkte, die ohnedies schon ein zu hohes Gewicht haben", erklärte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der sich bei den Grünen ausdrücklich für deren Unterstützung bedankte. Das ESM-Begleitgesetz spiegle in einem hohen Ausmaß grüne Forderungen wider.

Mit dem Begleitgesetz werden zwei Unterausschüsse eingesetzt, die der Finanzministerin mit einfacher Mehrheit die Ermächtigung für den Beschluss wesentlicher ESM-Entscheidungen erteilen können. Einer der beiden Ausschüsse tagt vertraulich. Am Mittwoch soll das Plenum des Nationalrats die den ESM begleitenden Gesetze beschließen. Eine weitere Gesetzesänderung, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, ist eine Erweiterung des EU-Grundlagenvertrags, der eigentlich die Haftung von Mitgliedsstaaten für die Schulden anderer Länder ausschließt. Diese "No Bail-out"-Klausel bleibt bestehen, wird aber durch einen Absatz ergänzt, der besagt, dass eine Hilfe über einen eigenen Stabilitätsmechanismus sehr wohl möglich ist.

Kein Teufelszeug

Die parlamentarische Unterstützung zeige ihm, dass der ESM "kein Teufelszeug" sei, sondern eine "sinnvolle Art, den Rettungsschirm auf neue Beine zu stellen", erklärte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Das neue Gesetz erlaube eine parlamentarische "Mitbegleitung" des neuen Euro-Rettungsschirms.

Von den Grünen hat der stellvertretende Klubchef Werner Kogler die Bedingungen mitverhandelt. Die Regierung habe zugesagt, sich auf europäischer Ebene für eine Änderung der EU-Verträge auf dem Wege eines Konvents starkzumachen, sagte er. Das solle ab Jahresende passieren, die Versammlung könnte dann 2013 tagen. Danach werde es wohl zu einer Volksabstimmung kommen müssen, aus rechtlichen Gründen wahrscheinlich (auch) auf nationaler Ebene. Die Grünen wünschten sich aber eher eine europäische Volksabstimmung über allfällige Vertragsänderungen, sagte Kogler. Man werde "zum Schutz der Steuerzahler" mit der Regierung einen Entschließungsantrag zur Bankinsolvenz einbringen.

FPÖ und BZÖ laufen Sturm

FPÖ und BZÖ laufen gegen die geplante Verabschiedung des ESM Sturm. Die Freiheitlichen haben für den Verfassungsausschuss die Einbringung eines Abänderungsantrags angekündigt, wonach eine parlamentarische Abstimmung erst erfolgen soll, nachdem die Wähler in einer Volksabstimmung zugestimmt haben. Das BZÖ kündigte an, das Thema auch nach einer Beschlussfassung im Nationalrat weiterzuführen.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erklärte, die "rot-schwarz-grüne Dreierbande" habe sich auf ein "Ermächtigungsgesetz" geeinigt, mit dem österreichische Souveränität an Brüssel abgetreten werde: "Wir stehen heute am Beginn einer europäischen Finanzdiktatur." Hintergrund: Das bekannteste Ermächtigungsgesetz der jüngeren Geschichte war das deutsche Gesetz vom 24. März 1933, das der damalige Reichskanzler Adolf Hitler für die Abschaffung der Republik nutzte.

BZÖ-Chef Josef Bucher kündigte am Montag eine "volle Konzentration auf den Widerstand gegen den Rettungsschirm" an: "SPÖ und ÖVP werden mit ihrem Plan, die Diskussion zum Rettungsschirm an einem Tag durchzuziehen, und mit jedem Ablenkungsmanöver scheitern", erklärte Bucher in einer Aussendung. "Wenn die Grünen Ja und Amen zum Rettungsschirm sagen und die Mitbestimmung der Österreicher verweigern, zeigen sie ihr wahres Gesicht und dürfen nie wieder mehr direkte Demokratie fordern."

Budgetausschuss machte Weg frei für ESM

Am späten Nachmittag hat der parlamentarische  Budgetausschuss in Wien am späten Nachmittag ebenfalls den Weg für den geplanten neuen permanenten Euro-Rettungsschirm freigemacht. Konkret standen im Budgetausschuss die Novelle zum Bundesfinanzrahmengesetz, zum Bundesfinanzgesetz sowie zum Bundeshaushaltgesetz auf der Tagesordnung.

SPÖ-Budget- und Finanzsprecher Jan Krainer zeigte sich am Abend zufrieden mit dem Beschluss. "Entgegen den von FPÖ und BZÖ verbreiteten Unwahrheiten bleibt die Budgethoheit des Nationalrates umfassend gewahrt", so Krainer.

Dem ESM sei nicht gestattet, Kredite in unbegrenzter Höhe aufzunehmen, um schwache Länder und ihre Banken zu finanzieren. "Das bedeutet für Österreich, dass auch unser Anteil am ESM auf keinen Fall überschritten werden darf", erklärte Krainer unter anderem. Gleichzeitig könne Österreich nicht für zusätzliche Verpflichtungen des ESM in Haftung genommen werden.

Finnischer Widerstand

Die finnische Regierung machte am Montag in einem Bericht an das Parlament in Helsinki nur drei Tage nach dem Brüsseler Beschluss deutlich, dass sie ihr Veto gegen Staatsanleihekäufe durch den Europäischen Rettungsfonds ESM einlegen will. "Finnland hält das für einen ineffizienten Weg, um die Märkte zu stabilisieren", betonte ein Regierungsvertreter in Helsinki. Finnland hatte am Gipfel dem Beschluss zugestimmt.

Auch Niederlande zeigen sich kritisch

Auch die Niederlande äußerten sich kritisch, wollen allerdings von Fall zu Fall entscheiden. Der EU-Gipfel hatte mit Blick auf Anleihekäufe der Euro-Rettungsfonds beschlossen, bestehende Instrumente "flexibler und effizienter" zu nutzen und mit einer europäischen Aufsicht den Weg in Richtung Bankenunion zu gehen.

Einstimmigkeit notwendig

Für den Kauf von Bonds überschuldeter Länder ist im ESM-Führungsgremium Einstimmigkeit nötig. Ein finnisches Nein würde somit das Vorhaben komplett torpedieren. (APA, 3.7.2012)