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Das De-facto-Arbeitsverbot für Asylwerber: Fruchtbarer Boden für einschlägige Propaganda

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Dass sich AsylwerberInnen, etwa für die FPÖ, gut als Sündenböcke eignen, hängt zu einem großen Teil mit deren Image als NichtstuerInnen zusammen, die ausschließlich von staatlichen Leistungen leben, also - wie an dieser Stelle regelmäßig herausgekehrt wird - "auf Kosten der österreichischen Steuerzahler".

Nun war die Entfachung von Brotneid immer schon ein probates Mittel, um anschließend durch "Durchgreifen" Abhilfe zu versprechen: Die von rechtsextremen Homepages stammenden, erstunkenen und erlogenenen, aber von blauer Seite trotzdem immer wieder aufgegriffenen Meldungen über angeblichen, umfangreichen Sozialleistungsfluss an Flüchtlinge in Österreich (samt fehlerhafter Vergleiche mit den Ansprüchen "österreichischer Arbeiterfamilien") zeigen, wie das geht.

Doch der Boden, auf den derartige Antiflüchtlingspropaganda fällt, ist fruchtbar. Weil AsylwerberInnen in Österreich überwiegend dazu verdammt sind, sich vom Staat durchfüttern zu lassen. Normale Arbeiter- oder Angestelltenjobs dürfen sie keine annehmen: Wollen sie arbeiten - wie die allermeisten von ihnen -, so können sie das nur als Selbstständige tun, also mit vollem unternehmerischen oder Ich-AG-Risiko; nur wenige Flüchtlinge haben dafür die Nerven und/oder Ressourcen. Oder aber - das ist erlaubt - sie verdingen sich als Saison-/Erntearbeiterin, aber nur, wenn es keine/n ÖsterreicherIn oder EU-BürgerIn oder begünstigte/n Drittstaatangehörige/n gibt, der/die den gleichen Job bräuchte.

Am Land besonders sichtbar

Als Zweck dieses De-facto-Arbeitsverbots wird von den politisch dafür Verantwortlichen der Schutz des heimischen Arbeitsmarkts angegeben. Doch es hat das Image von Asylwerbern in den Augen der Einheimischen ruiniert, vor allem Land, wo Gasthäuser zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert worden sind: Wer, wenn nicht Asylwerber, ist in den Dörfern bei Tag, wenn die anderen BewohnerInnen - von Arbeitslosen abgesehen - in der Firma oder im Büro sind, auf den Straßen zu sehen?

Wer, wenn nicht Asylwerber, sitzen an der Hauptstraße oder im Park scheinbar faul auf den Bänken herum (es sei denn, dies ist ihnen zwecks Konfliktvermeidung vom Wirten oder dem/der BürgermeisterIn untersagt)? In manchen Gemeinden werden grundversorgte Flüchtlinge zu einfachen kommunalen Aufgaben herangezogen: Sie rechen auf Gehsteigen das Laub zusammen oder sammeln auf der Straße Abfall ein, was oft den Eindruck einer Beschäftigungstherapie vermittelt.

Das ist der Hintergrund, vor dem Flüchtlingshilfsorganisationen - derzeit im Rahmen der Aktion "Machen wir uns stark" - schon seit langem ein Ende des Asylwerber-Arbeitsverbots fordern. Dieses ist leider nicht in Sicht, doch zumindest, was halbwüchsige Flüchtlinge angeht, konnte vergangene Woche eine Verbesserung erzielt werden. Für Unter-18-Jährige wurde eine Ausnahme vom Blockadeerlass des Sozialministeriums vereinbart, der Asylwerber seit 2004 auf Saison- und Erntearbeit beschränkt. Sie dürfen nunmehr eine Lehre machen.

Viele offene Fragen

Das ist ein erster Schritt, der jugendlichen Asylwerbern, die keine höhere Schule besuchen, künftig ersparen kann, was bisher traurige Wirklichkeit war: Das Verplempern wichtiger Jahre, in denen sich andere in ihrem Alter der Ausbildung widmen, auf der Straße oder vor dem Fernseher. Doch die Verbesserung eröffnet sofort weitere Fragen: Wie geht es mit dem Jobzugang für ALLE Asylwerber weiter? Auf EU-Ebene wird immerhin auf vollem Arbeitsmarktzugang sechs Monate nach Asylantragsstellung bestanden. Was ist mit älteren Jugendlichen, etwa den 18- bis 23-Jährigen? Für sie ist Untätigkeit und Chancen-Versäumen um nichts weniger bitter.

Und: Wie können es junge Leute, die nach oft Jahren auf der Flucht und oft als Ganz- oder Fast-AnalphabetInnen in Österreich gelandet sind, überhaupt schaffen, fit für eine Lehre zu werden? Schulpflicht bis 15, Hauptschulabschluss- und ein, zwei Deutschkurse reichen bei vielen von ihnen nicht aus, um die mitgebrachten Bildungsdefizite auszugleichen.

Es fehlt an passenden Angeboten für ein intensives schulisches Nachholen, das idealerweise muttersprachlich organisiert sein müsste. Verschwendet wären die dafür aufgebrachten Mittel nicht, selbst, wenn die Betreffenden in ihr Ursprungsland einmal zurückkehren sollten. Schulabschluss und Berufsausbildung in Europa hätten dann den Charakter von Knowhow-Transfer - und somit von praktischer Entwicklungszusammenarbeit. (Irene Brickner, derStandard.at, 30.6.2012)