Heitere Gelassenheit: Die Stimmung im Café Ansari ist so, wie man sich die Welt wünschen möchte.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Essen und Trinken? Auch mehr als köstlich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Viel ist nicht passiert: Im Parterre eines großen Zinshauses sind zwei Lokale eingezogen. Aber das allererste Stück der Praterstraße, wo alte Platanen das Bild bestimmen, ist damit ganz wundersam wachgeküsst worden.

Erst kam mit dem dunkel schillernden Mochi ein japanisches Restaurant, bei dem die Wartezeit auf einen Tisch vom Start weg in Wochen gemessen wurde - wegen tollen Essens und Designs ebenso wie abartiger Liebenswürdigkeit der Betreiber. Jetzt ist im selben Haus das Café Ansari fertig geworden. Gregor Eichinger, der mit traumwandlerischem Gespür für Stimmungen schon viele Lokale verzaubert hat, ist der Architekt. Nana und Nasser Ansari vom Madiani am Karmelitermarkt erfüllen den Ort mit Leben.

Die Pracht des Ortes

Als Erstes nimmt einen die Pracht des Ortes ein. Der langgestreckte Saal mit Eichendielen und großen Fenstern ist mit Möbeln ausgestattet, die im Vergleich filigran wirken: lange, mit Linoleum bespannte Tische, sanft geschwungene Holzbänke, eine Beleuchtung, deren verästelte Konstruktion die Decke noch weiter wirken lässt. Und eine schlichte Schank, die mit handgearbeiteten Kacheln von Matthias Kaiser ausgekleidet ist: Deren zarte Grüns scheinen auf kaum merkbare und umso geheimnisvollere Weise zu vibrieren, ganz speziell bei Tageslicht. Der Wiener ist bei japanischen Töpfermeistern in die Lehre gegangen. Auch sonst ist das Ansari voll feiner Details wie dem Trinkbrunnen samt Gläsern, an dem sich die Gäste selbst bedienen - ein Statement von apodiktischer Großzügigkeit zur kleinlichen Debatte um den Geldwert von Leitungswasser in der Gastronomie.

Und das Essen? Ist zuerst einmal georgisch und damit ziemlich exotisch für diese Stadt, wenngleich Habitués des Madiani manche der Gerichte vertraut vorkommen mögen. Dennoch: Wien ändert sich, wenn die Küche eines so schönen, großen und wohl auch prominenten Lokals nicht mehr unbedingt wienerisch oder italienisch oder panasiatisch sein muss - und dennoch heiß geliebt wird. Dass man nicht anders kann, als sie zu lieben, wird gerade in der Glut dieses Sommers offenbar.

Viele Vorspeisen

Aus der kalten Küche kommen aufwändig zusammengefügte Finessen, ebenso leicht wie vielfältig: kühl schmelzige Melanzanirollen mit Walnüssen und Granatapfel; zart und doch höchst würzig gefüllte Karotten; in Sumac und Za'atar gewälzter Schaffrischkäse mit Grapefruitfilets; grandios marinierte Rote Rüben mit Pignoli; verblüffend gewürzter Rindfleischsalat mit kühlen Gurken - und so weiter.

Wie stets im Orient ist angezeigt, viele Vorspeisen zu bestellen und gemeinsam zu verkosten. Wer dann noch kann, hält sich an butterzarte Calamari mit Avocado-Sesam-Creme, an handfest gewürzte Köfte (hier: Kufta) mit seidigem Tahina-Joghurt oder geschmortes Rind mit Spinat und Paradeisern. Auf der kleinen, klug zusammengestellten Weinkarte erfreuen auch ein paar der neuen, auf ganz alte Art gemachten Kvevri-Weine aus Georgien - nicht zufällig jene Gegend der Welt, wo der Weinbau vor mehr als 5000 Jahren sozusagen erfunden wurde. Danach gibt es herausragenden Kaffee von Fürth - oder aber ebensolchen Schwarztee aus dem Samowar! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 29.6.2012)