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Neuland in Sachen Menschenrechtskontrolle: Auch wie Alte, Pflegebedürftige und behinderte Personen in Österreichs Heimen leben, wird ab Juli transparenter.

Foto: AP/Öser

Wien - Die Premiere werde wahrscheinlich noch in diesem Sommer, sicher aber im Herbst stattfinden, sagt Getrude Brinek. Dann würden am Eingangstor eines Pflege- oder Altersheims erstmals die Menschenrechtskontrollore von einer der sechs neuen Besuchskommissionen der Volksanwaltschaft anläuten - unangekündigt und mit Kompetenzen ausgestattet, im Fall krasser Missstände Sofortmaßnahmen einzuleiten.

Begutachtet würden dann etwa "Medikation und Fixierung, Ausstattung und Hygiene, Betreuungsintensität und Freizeitangebote", zählte die Vorsitzende der Volksanwaltschaft am Donnerstag bei einem Hintergrundgespräch auf. Im Mittelpunkt der Inspektionen werde die Frage stehen, ob die Menschenrechte der Bewohner trotz Freiheitseinschränkung, wie sie an diesen Orten stattfindet, in vollem Umfang gewährt sind.

"In Polizeiarresten, Schubhaftanstalten und Gefängnissen gab es derlei unangemeldete Besuche bereits bisher. In Einrichtungen der sozialen Versorgung hingegen betreten wir Neuland", erläuterte Brinek. Zu begutachten und Verbesserungsvorschläge zu machen sowie Folgebesuche durchzuführen gebe es offenbar viel: Schon im Vorfeld ihrer neuen Zusatzaufgabe ab Juli habe die Volksanwaltschaft aus einzelnen Einrichtungen vernommen, "es sei höchste Zeit, dass wir kommen, denn es herrsche krasser Personal- und Ressourcenmangel".

Ob wirklich Pflege-, Alters- und Behindertenheime erster Schwerpunkt der Besuchstätigkeit sind - oder ob Psychiatrien, Krisenzentren, Gefängnisse, Kasernen, Schubhaften und Polizeianhaltezentren in den Fokus rücken -, wird wahrscheinlich am kommenden Montag entschieden. Am 2. Juli findet das erste Arbeitstreffen der neuen Kommissionsleiter und von Mitgliedern des neuen Menschenrechtsbeirats - der die Volksanwaltschaft bei ihrer neuen Aufgabe berät - statt.

Namhafte Experten

Unter ihnen befinden sich namhafte Experten: Etwa der Kinderpsychiater Ernst Berger und der Menschenrechtler Manfred Nowak, die je einer Wiener Besuchskommission vorstehen. Sowie, als Mitglied des Beirats, der von der Völkerrechtlerin Renate Kicker geleitet wird, Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt.

Dieser weist darauf hin, dass die neue Menschenrechtskontrolleinrichtung auch für die Beobachtung der UN-Behindertenkonventionsumsetzung in Österreich zuständig ist: "Ich bin gespannt, wie da der Umstand behandelt wird, dass etwa die Existenz von Sonderschulen prinzipiell konventionswidrig ist." (Irene Brickner, DER STANDARD, 29.6.2012)