Es gibt verschiedene Ansichten über die Befähigung zur Theaterregie. Wer es später einmal einem Zadek gleichtun will, sollte schon vorher mehrere Tugenden in sich vereinen.

Unabdingbar für künftige Regie-Großtaten ist die Demut. Am Anfang jeder Inszenierungskunst steht nämlich das Kaffeeholen. Junge Regisseure beginnen ihre Karriere häufig als Assistenten. Vielfältig sind da die Pflichten: Zigarettenkippen wollen aufgepickt werden. Der hauptamtliche Regisseur leidet unter fürchterlichem Nachdurst, weil die "Probenkritik" am Vorabend so lange gedauert hat. Vor allem aber fließt der Muckefuck in Strömen. Die Theatermuse Thalia muss mit einem Kaffeeröster verheiratet gewesen sein!

Der andere, weitaus amtlichere Weg zum Regie-Sessel führt über das Wiener Max-Reinhardt-Seminar. Die Kaffeegepflogenheiten dort sind hier unerheblich. Aber die hehre Ausbildungsstätte unserer Musenkinder hat mehrerlei zuwege gebracht. Sie hat den Routinevorgang einer Regie-Professurbesetzung durch das Zusammenwirken fast aller Beteiligten zur Farce verkommen lassen.

Sie hat die Studierenden gelehrt, dass deren Wünsche wenig zählen. Dafür wurde diejenige Person, die es "geworden" ist, auf unverantwortliche Art und Weise diskreditiert. Den nächsten Kaffee holt der Rektor! (Ronald Pohl, DER STANDARD, 29.6.2012)