In einem Gastkommentar auf derStandard.at erklärt Jennifer Pyka Frauenquoten als "kollektivistische Konstrukte" und zum Feindbild der freien Gesellschaft. Dabei bedient sie nicht nur Stereotype von der feministischen "Schabracke" bis zur Stutenbissigkeit, sondern ignoriert auch, wie kollektivistische Konstrukte unsere Gesellschaft bestimmen.

Wir Frauen?

In den 60er- und 70er-Jahren bezogen sich viele Feministinnen auf eine vermeintliche gemeinsame Identität, die von allen Frauen geteilt würde. Politische Bestrebungen basierten darauf, die Diskriminierung "der Frau" zu beenden.

Dann zeigten schwarze Feministinnen, dass "wir Frauen" eigentlich vor allem eines hieß, nämlich "wir weiße heterosexuelle Frauen aus der Mittelschicht". Die Interessen derer, die nicht in diese in vielerlei Hinsicht privilegierte Gruppe passten, wurden dabei ignoriert.

"Wir Frauen" kann tatsächlich darüber hinwegtäuschen, dass es auch innerhalb dieser vermeintlich homogenen Gruppe Machtunterschiede gibt. Frauen können Frauen unterdrücken, genauso wie Männer Frauen, Frauen Männer und Männer Männer (ganz abgesehen davon, dass es Menschen gibt, die nicht in diese beiden Kategorien passen oder passen wollen).

Die Frauen?

Die Behauptung, dass "Frauen im Großteil der westlichen Welt Männern gleichgestellt" seien, ist aber schlichtweg Unsinn. Nur weil rein rechtlich sowohl Männer als auch Frauen Kinder aufziehen oder Vorstandsmitglieder oder Tischlerinnen werden können, heißt das noch lange nicht, dass das auch wirklich der Fall ist.

Tatsächlich durchdringt die Annahme, dass "die Frauen" grundsätzlich anders seien als "die Männer", zahllose Aspekte unserer Alltagskultur: von Büchern darüber, dass Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören könnten, bis zu Aussagen wie "Frauen wollen einfach nicht in die Politik gehen" und "Männer haben eben keinen Sinn für das Schöne".

Heutzutage sind es oft gerade Feministinnen, die anerkennen, dass es viele verschiedene Frauen und Machtbeziehungen auch zwischen Frauen gibt. Jennifer Pyka hingegen greift tief die "Frauen"-Schublade, die offenbar pink ist und ganze Kollektionen von Lippenstiften und Stöckelschuhen beherbergt.

Bezeichnend ist dabei, dass ihre größte Sorge zu sein scheint, dass "kollektivistische" Frauenquoten "den Wettbewerb verzerren". Der Wettbewerb wird ohnehin verzerrt: durch soziale Strukturen, durch die Menschen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Gruppenzugehörigkeit in Schubladen gesteckt werden und die somit individuelle Chancen und Möglichkeiten zerstören.

Wir Menschen

Es geht also nicht darum, dass "wir Frauen" oder "wir Männer" (oder "wir Schwule", "wir Schwarze" etc.) an einem Strang ziehen sollen oder können. Vielmehr gibt es verschiedene Stränge, verschiedene Machtverhältnisse und Mechanismen der Unterdrückung, an denen wir alle ziehen können, völlig egal, welchen Gruppen wir uns zurechnen und welchen Gruppen wir von anderen zugerechnet werden.

Wir alle profitieren davon, wenn wir nicht Menschen in Töpfe werfen und nur danach streben, die meisten Vorteile für "unsere" Gruppe herauszuschinden. Wir sind alle Teil mehrerer Gruppen, und die allermeisten von uns auch Teil unterdrückter Gruppen. Statt also "alles für mich" oder "alles für ‚uns‘" zu fordern, wo eine Gruppenidentität im Wettstreit mit anderen steht, sollten wir nach Gerechtigkeit für alle streben: alle Minderheiten gemeinsam bilden die klare Mehrheit.

Frauenquoten sind eine Strategie mit dem Ziel, einen Aspekt dieser Gerechtigkeit zu ermöglichen. Ob sie die beste Strategie sind, ist eine andere Frage: "Gerechtigkeit für alle" wird ohne weiter reichendes Umdenken wohl nicht zu erreichen sein. Ich wünsche mir jedenfalls keine "individualistische" Welt, in der nur das Recht des der Stärkeren regiert. Wenn wir statt Rücksicht aufeinander zu nehmen nur auf die Ellbogentaktik vertrauen, wird es immer jemand mit noch stärkeren Ellbögen geben. (Leserkommentar, Boka En, derStandard.at, 9.7.2012)