Eine Nachbildung eines Tyrannosaurus Rex, der ein Killer war, aber wahrscheinlich kein kaltblütiger.

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Wachstumsringe im Knochen des Rothirschen.

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Ein Tyrannosaurus Rex und der heimische Rothirsch sind einander doch ähnlicher als gedacht. Die in Kiel geborene Paläontologin Meike Köhler, die an der Autonomen Universität Barcelona forscht, zeigte mit ihrem Team im Fachblatt Nature, dass die Giganten der Urzeit wahrscheinlich keine ektothermen Lebewesen, also Kaltblüter waren, wie bisher gemeinhin angenommen wurde.

Der Paläowissenschaft dienten bislang sogenannte Stillstandslinien oder LAGs (Lines of Arrested Growth) in Querschnitten fossiler Knochen als Beweis für die These. Die Linien waren bisher nur von Kaltblütern bekannt. Dennoch wurde jahrelang debattiert, ob es den Urzeitechsen überhaupt möglich war, derart schnell zu wachsen, wenn sie nicht über den Stoffwechsel eines endothermen Organismus, also eines Warmblüters, der seine Temperatur von innen reguliert, verfügten.

Köhler konnte anhand von 115 Oberschenkelknochen von Wiederkäuern unterschiedlicher Klimazonen zeigen, dass Stillstandslinien auch in Warmblütern zu finden sind. "Das Knochengewebe ist überraschend gleich. Sei es von Dinosauriern oder von den untersuchten Wiederkäuern", sagt Köhler im Standard-Gespräch, bei Rentieren aus Spitzbergen genauso wie bei Antilopen aus Afrika oder österreichischen Hirschen, die die Veterinärmedizinische Universität in Wien bereitgestellt hat.

Unerwartete Stillstandslinien

"In den Knochen kann man Wachstumsringe zählen", sagt Köhler. Sie wachsen wie Bäume in der warmen, beziehungsweise feuchten Jahreszeit, in der ein Überschuss an Nahrungsressourcen herrscht. LAGs markieren die Wachstumspausen im Winter oder in der Trockenzeit und treten in fast allen Reptilien und Amphibien auf. Dass die Stillstandslinien auch in Warmblütern vorkommen, war bisher nicht bekannt. Die bei jedem Klima konstante Körpertemperatur legte nahe, dass die Knochen das ganze Jahr über kontinuierlich wachsen würden. Aber nur Kleinsäuger wie Mäuse haben keine LAGs, weil es einer Wachstumsphase bis zur Geschlechtsreife von mindestens einem Jahr bedarf, um sie zu entwickeln.

"Das Lustige an unserer Entdeckung ist, dass seit Dekaden Paläontologen die LAGs von Dinosauriern erheben, ohne zu wissen, was diese eigentlich bedeuten", sagt die Paläontologin: "Wir konnten jetzt dank jener Linien eine direkte Korrelation zwischen Nahrungsangebot und Stoffwechselrate belegen." Das spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf den Artenschutz: "Die Methode der Skeletochronologie ermöglicht es uns in Zeiten des Klimawandels, gefährdete Populationen besser zu erforschen."

Anhand der Knochen kann man ablesen, wie alt die Tiere wurden, nach wie vielen Jahren die Geschlechtsreife einsetzte und unter welchen Bedingungen sie aufgewachsen sind. Selbst in den Knochen der Menschen müssten sich folglich die Stillstandslinien finden, sagt die Wissenschafterin. "Man muss zuerst die heutigen Lebewesen verstehen, um Schlüsse über die Vergangenheit ziehen zu können." (Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, 28.6.2012)