Wien - In Österreich wäre ein ähnliches Urteil wie in Deutschland nicht möglich: Zwar gibt es eine gesetzliche Bestimmung, die die Genitalverstümmelung bei Kindern auch mit Einwilligung der Eltern verbietet - der Passus ist aber so formuliert, dass nur die weibliche Beschneidung darunterfällt. "In der herrschenden Praxis (Entscheidungen der unabhängigen Gerichte) wird in Österreich von Straflosigkeit von Beschneidungen ausgegangen", heißt es dazu aus dem Justizministerium.

"Die Beschneidung bei Buben ist bei uns als Tradition so fixiert, dass es da keine strafrechtlichen Probleme geben könnte", sagt auch Richard Potz, Leiter des Instituts für Rechtsphilosophie, Religions-und Kulturrecht an der Universität Wien. Allerdings gebe es in den vergangenen fünf Jahren unter Medizinern einen Trend, die Beschneidung kritisch zu sehen: Während früher die Vorteile betont worden seien - etwa das geringere Risiko von weiblichen Sexualpartnern, an Gebärmutterkrebs zu erkranken -, würden Wissenschafter nun vermehrt auf unerwünschte physische und psychische Folgen einer Beschneidung hinweisen. (tob, DER STANDARD, 28.6.2012)