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Wird in London bald nur mehr der Union Jack hängen? Die britische Regierung fürchtet Nachteile durch die Bankenunion.

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Wien/London - Begonnen hat alles mit einer Kolumne im Economist. Die Euroländer arbeiten an einer stärkeren Verzahnung ihre Finanzpolitik, bei der Großbritannien außen vor bleiben wird. Am Ende dieser Entwicklung könnte der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU stehen, schrieb das britische Magazin vergangene Woche. Statt dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone (Grexit), drohe der "Brixit". Daily Mail, unzählige Blogger und die Financial Times haben den Begriff inzwischen aufgegriffen.

Während kein britisches Regierungsmitglied offen über einen EU-Austritt des Landes spricht, drohen die Gräben zwischen London und Brüssel tatsächlich tiefer zu werden. Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel, steht das britische Reizthema Bankenunion weit oben auf der Liste. Während bei Eurobonds kein Durchbruch erwartet wird, scheint die Schaffung einer zentralen Bankenaufsicht möglich.

Der britische Finanzminister George Osborne hat sich festgelegt, dass sein Land nicht Teil dieses Projektes sein wird. Die Briten sind wie üblich skeptisch wenn es darum geht, nationale Kompetenzen abzugeben. "Zugleich fürchtet die englische Finanzindustrie Nachteile durch eine Vergemeinschaftung der Aufsicht", sagt Raoul Ruparel vom Londoner Thinktank Open Europe. Franzosen und Deutsche würden dann über Kapitalvorgaben für englische Institute mitentscheiden.

England trifft es anders

Dabei spielt die Finanzindustrie in keinem größeren EU-Land eine so zentrale Rolle wie in Großbritannien. Zehn Prozent der Wirtschaftsleistung werden im Bankengeschäft erzielt. Ohne Exporte von Finanzdienstleistungen, wäre die britische Leistungsbilanz ähnlich schlecht wie jene Griechenlands. Die Aufgabe von Souveränitätsrechten würde England also ungleich empfindlicher treffen als den Rest der EU.

Die britische Regierung lehnt zudem mehr Kompetenzen für die Europäische Zentralbank (EZB) ab: Sollte sie mehr Befugnisse erhalten, könnte die in London angesiedelte Europäische Bankenaufsicht EBA obsolet werden.

Damit nicht genug, tut sich London auch mit dem Alleingang der Eurozone schwer. Britisch Banken fürchten Einschränkungen bei ihrem Zugang zum Euro-Binnenmarkt, sollte die Bankenunion kommen. "Dieser Zugang ist für Großbritannien aber der wichtigste Anreiz, um überhaupt in der EU zu bleiben", meint Ruparel.

Streit zwischen London und EZB

Die Angst ist nicht unbegründet: Seit Monaten tobt zwischen London und der EZB ein Streit über Clearinghäuser. Die EZB verlangt seit Juli 2011, dass Clearinggeschäfte von Euro-Wertpapieren künftig nur mehr innerhalb der Währungsunion vorgenommen werden. Clearingstellen wickeln für Banken und Fonds Wertpapiergeschäfte ab. 75 Prozent des europäischen Derivatehandels werden in London "gecleart" - sollte sich die EZB also durchsetzen, würden unzählige Anbieter die City verlassen müssen. Die britische Regierung hat daher Klage gegen die EZB beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Die Angst in London ist, dass künftige Euro-Bankenaufseher aus britischer Sicht ähnlich diskriminierende Vorschriften erlassen. Vor allem, wenn englische Vertreter nicht mit am Tisch sitzen. Der britische Premier David Cameron dürfte daher beim Gipfel versuchen von den Euroländern Sicherheitsgarantien für die Banken zu erhalten. Sollte er scheitern, könnte das Wort Brixit in Mode kommen. (Lukas Sustala, András Szigetvari, DER STANDARD, 28.6.2012)