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Darum geht's letztendlich: Um den Euro, die Zukunft der Währungsunion, die Zukunft der Europäischen Union im Allgemeinen und um den Ausweg aus der Dauerkrise. Kein kleines Paket, das am Gipfel in Brüssel am Donnerstag und am Freitag auf- bzw. zugeschnürt werden soll.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Die Eurozone reitet von Gipfel zu Gipfel. Am Donnerstag und Freitag steht das nächste Spitzentreffen europäischer Staats- und Regierungschefs auf der Agenda. Aus den bisherigen unzähligen Treffen und Sondersitzungen hat im Endeffekt noch nicht viel herausgeschaut. Am Schluss bleibt dröge Ernüchterung übrig, auch wenn regelmäßig Durchbrüche, endgültige Lösungen oder wenigstens Weichenstellungen proklamiert werden.

Weichenstellungen soll es auch nach dem kommenden zweitägigen Gipfel geben. Richtungsweiser für die Fiskalunion zum Beispiel, also für eine engere Zusammenarbeit der Länder innerhalb der EU und für Haftungen der Euro-Staaten füreinander. Ein Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Die Frage nach gemeinsamen Eurobonds spaltet nach wie vor die Union. Die südlichen Euro-Staaten, aber auch die Spitzen von EU-Institutionen sind dafür Feuer und Flamme. Deutschland ziert sich aber, zuletzt ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel aufhorchen, so lange sie lebe, werde es gemeinschaftliche Anleihen der Euroländer sicher nicht geben. Da sind für den Gipfel sicher kontroverse Diskussionen vorprogrammiert. 

Eingriff

Mit der Fiskalunion würden auch Eingriffsrechte in die Länderbudgets bzw. zumindest die Abgabe gewisser Länder-Kompetenzen einhergehen. Abgesehen davon, dass sich nicht alle Euro-Staaten gerne in die Haushalts-Karten schauen lassen, geschweige denn Bestimmungs-Rechte abgeben wollen, bedarf eine echte Fiskalunion auch Änderungen des EU-Vertrages. Kurzfristig geht da wohl gar nichts weiter, Merkel sprach unlängst von einem Horizont von zehn Jahren bis zur endgültigen Umsetzung. Damit wird man die schwelende Krise auch nicht schnell bekämpfen können. Außerdem hieß es am Mittwoch aus Diplomatenkreisen, es werde keine substanziellen Entscheidungen zur Fiskalunion am Gipfel geben.

Die geäußerten Reformideen mit einer Übertragung nationaler Budgetrechte an die EU wären "ein Quantensprung" und würden in allen 27 EU-Staaten Verfassungsänderungen und wohl auch Referenden erfordern. "Wenn jemand das vor zwei Jahren vorgelegt hätte, hätte man ihn für einen Spinner gehalten." Die Umsetzung dieser Vision sei aus heutiger Sicht nicht besonders realistisch, doch habe die EU auch keine andere Chance. "Das ist eine Flucht nach vorne", sagt ein Diplomat laut Nachrichtenagentur APA.

Baustelle

Die Fiskalunion ist aber nur eine der großen Baustellen im Euroland. Auch in Fragen der Bankenunion ist noch nicht alles klar. Zwar scheint sich die europäische Familie weitgehend einig über eine gemeinsame Bankenaufsicht zu sein. Eine gemeinsame Spareinlagensicherung steht aber noch auf der Diskussionsliste. Und das ewige Thema eines Abwicklungsfonds für Pleitebanken klingt zwar nach einer netten Idee, doch woher das Geld dafür kommen soll, hat bisher noch keiner verraten. Die Banken selbst sollen einzahlen, lautet der Vorschlag der EU-Kommission. Doch auch da wehren sich vor allem Deutschland und Großbritannien. Es sei schwer zu verkaufen, dass im Falle des Falles mit Geldern aller griechische oder spanische Banken zu retten sein könnten. 

Daneben wird sicher auch die Finanztransaktionssteuer einen Teil des Gipfeltreffens ausmachen. Auch das ist eine Idee, die angekündigt, diskutiert, mehr oder minder beschlossen, wieder aufgehoben, aufgeweicht, und schließlich wieder aus der Mottenkiste geholt wurde.

Im Vorfeld des Gipfels wird jedenfalls auch dieses Mal nicht bei guten Vorsätzen, aber auch nicht bei teils bissigen Seitenhieben gespart. Harsche Worte kommen von US-Investor George Soros, dieser konnte einmal mehr seine Deutschland-Kritik nicht unterdrücken. Die Haltung der Regierung in Berlin, in der Euro-Krise immer nur das Nötigste zu tun, verschlimmere die Situation in den Schuldnerländern, sagte er dem "Spiegel Online". Der Effekt: Deutschland werde gehasst und als Unterdrücker wahrgenommen werden.

Auch nicht hübscher

Doch auch in Deutschland selbst wird nicht mit skurrilen Metaphern gegeizt. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle fordert zu Handlungen auf: "Die Welt lacht sich ja kaputt über die 27, demnächst 28 Gartenzwerge, die Weltpolitik machen wollen, aber nichts hinkriegen." EU-Rat, EU-Kommission, Europäische Zentralbank und die Eurogruppe seien zudem "vier Musketiere", die Europa auch noch nicht gerettet hätten. "Es macht keinen Sinn, eine isolierte Vergemeinschaftung von Haftungen und Finanzverantwortung zu machen, ohne entsprechende institutionelle Regelungen zu haben." Der FDP-Politiker fügt hinzu: "Man kann dem Kind ein neues Kleidchen anziehen, damit wird es nicht hübscher."

Der sozialdemokratische Fraktionschef im Europaparlament, Hannes Swoboda, sieht den Erfolg des bevorstehenden EU-Gipfels am "seidenen Faden". Die deutsche "Sturheit" bei den Eurobonds sei gefährlich und könnte die EU letztendlich in die Katastrophe führen, meint Swoboda.

Am Freitagabend werden wir ein wenig schlauer sein, ob es "Ergebnisse" oder nur "Gespräche" sind, die den Abschluss des kommenden Treffens markieren. Bis dato hat sich die Europäische Union vor allem auf das Reden fokussiert. Die Krise ist immer noch da, aus all den vielen Gipfel-Beschlüssen wurde bisher mehr oder weniger gar nichts. (Daniela Rom, derStandard.at, 27.6.2012)