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Premier Erdogan kündigt eine härtere Gangart gegen Syrien an.

Foto: AP/Ozbilici
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Vier Tage nach dem Abschuss eines türkischen Kampfjets durch die syrische Luftabwehr hat Regierungschef Tayyip Erdogan eine härtere Gangart gegenüber dem Regime im Nachbarland angekündigt. Die Türkei werde von nun an keine Bedrohungen ihrer Sicherheit mehr hinnehmen, erklärte Erdogan am Dienstag in einer Rede vor Abgeordneten der Parlamentsfraktion seiner Partei.

Jede Herausforderung durch syrisches Militär an der Grenze werde beantwortet. Erdogans Warnung öffnete einerseits neuen Raum für militärische Schritte gegen das syrische Regime von Staatschef Bashar al-Assad, enthielt aber keine konkrete Vergeltung für den Abschuss des Phantom-Jets.

Erdogan präzisierte aber zumindest neue Regeln für den Feuerbefehl der Armee. Jedes militärische Element, das sich von Syrien aus der türkischen Grenze nähere, werde als Drohung betrachtet und als militärisches Ziel behandelt, sagte der Regierungschef.

Oppositionspolitiker und Kommentatoren kritisierten, dass Erdogan als Ort für die großangekündigte Reaktion der Türkei auf den Luftzwischenfall seine wöchentliche Ansprache vor den Abgeordneten der AKP wählte. Eine Regierungserklärung im Parlament oder im Amt des Premierministers wäre der Schwere des Vorfalls angemessener gewesen, hieß es. Die Militärmaschine mit zwei Piloten an Bord war vergangenen Freitag abgeschossen worden. Der stellvertretende türkische Premier Bülent Arinç räumte mittlerweile ein, der Kampfjet sei im Tiefflug versehentlich in syrisches Gebiet geflogen. Der Abschuss ereignete sich nach türkischen Darstellungen aber im internationalen Luftraum vor der syrischen Küste.

Nato: "Nicht hinnehmbar"

Sicherheitsexperten merkten an, die türkische Maschine habe möglicherweise die von Russland gelieferten Radaranlagen der syrischen Armee testen wollen und nicht, wie angegeben, jene der türkischen Seite. Die Syrer sollen ein zweites Mal auf eine Militärmaschine der Türken gefeuert haben, die nach den beiden abgeschossenen Piloten suchte. Das Wrack der Phantom wurde geortet; es liegt in mehr als 1000 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund.

Der Nato-Rat hat den Abschuss bei einer von der Türkei beantragten Sondersitzung in Brüssel am Dienstag "in schärfster Weise verurteilt". Ein Vorgehen wie das der syrischen Regierung, die den türkischen Jet ohne Vorwarnung abgeschossen hatte, sei "nicht hinnehmbar", hieß es in einer Stellungnahme von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

Der Fall sei ein weiteres Beispiel "für die Missachtung der internationalen Regeln, des Friedens und der Sicherheit", hielt das höchste Gremium der Verteidigungsallianz fest. Dennoch zeigte man sich bemüht, den Konflikt nicht noch weiter zu verschärfen.

Der Generalsekretär betonte, dass es bei der Diskussion der Nato-Botschafter nicht um Artikel 5, den Bündnisfall als Beistandsverpflichtung bei einem Angriff auf ein Mitgliedsland der Allianz, gegangen sei. Die Regierung in Ankara hatte sich vielmehr auf Artikel 4 der Nato-Charta berufen, weil sie die Unversehrtheit des türkischen Staatsgebietes bedroht sieht.

Was geschehen wird, sollte das syrische Regime erneut auf türkische Militärkräfte feuern, ließ Rasmussen offen: Bei einem neuen Zwischenfall würde die Allianz erneut beraten, aber "ich erwarte mit Sicherheit, dass das nicht passieren wird", erklärte der Generalsekretär. In jedem Fall könne die Regierung in Ankara mit der festen Unterstützung und Solidarität ihrer Partner in der Allianz rechnen, hieß es in einer Erklärung. Der Nato gehören 28 Länder an. (Markus Bernath/Thomas Mayer, DER STANDARD Printausgabe, 27.6.2012)