"Ich habe mich nie nicht akzeptiert", sagt Brandopfer Bernhard Heitz.

Foto: Bernhard Heitz

Mit einem Kleinflugzeug die Welt erkunden: Diesen Traum hat sich Bernhard Heitz vor 15 Jahren erfüllt. Seine Reise nahm jedoch ein jähes Ende, als er über Kanada abstürzte. Heitz überlebte zwar das Unglück, ist aber seither schwer brandverletzt. Mit derStandard.at spricht er über die Folgen des Absturzes.

derStandard.at: Wie geht es Ihnen heute? 

Heitz: Physisch bin ich bemüht, halbwegs fit zu bleiben. Je älter man wird, desto schwieriger werden die Dinge, bei Brandverletzten ist es noch schwieriger. Ich gehe regelmäßig mit meinem Hund spazieren oder ins Fitnessstudio. Aufgrund der verletzlichen Haut kann ich die meisten Sportarten nicht ausüben. Und seelisch geht es mir eigentlich gut.

derStandard.at: Sie sind zu 85 Prozent brandverletzt. Wie lange hat die Rehabilitation gedauert?

Heitz: Ich habe zwei Jahre lang Physiotherapie gehabt, psychisch hat die Verarbeitung länger gedauert. Man wird ja aus dem Leben gerissen, es verändert sich alles. Bis man damit zurechtkommt, das dauert. Bei mir waren es sieben Jahre.

derStandard.at: Sie haben ein Buch über Ihre Reise und den Absturz geschrieben. Wie ist es dazu gekommen?

Heitz: Ich habe Jura studiert, und eine Kollegin, die mit einem Verleger verheiratet ist, hat mir ein Diktiergerät gekauft, als ich noch im Krankenhaus in Kanada lag. Als ich nach Deutschland transportiert wurde, hatte ich eine Überlebenschance von 50 Prozent. Weil ich aber auf meiner Flugreise durch die Welt viele schöne Sachen erlebt habe, wollte ich das auf Band sprechen, damit sich meine Mutter meine Erlebnisse anhören kann, sollte ich nicht überleben. Mir war das mit dem Buch nicht so bewusst. Ich habe irgendwann gemerkt, dass es für mich selber eine Verarbeitung und Teil meiner Rehabilitation war.

derStandard.at: Wie hat Ihre Umgebung auf Ihr verändertes Aussehen reagiert?

Heitz: Es sind manche Freundschaften vertieft, andere neu geknüpft worden, und einige sind auseinandergegangen. Zum Beispiel habe ich die Schwester meiner Mutter seitdem nicht mehr gesehen, weil sie das nicht möchte. Ich hatte auch einmal eine Freundin, deren Mutter davon überzeugt war, dass sie nur mit mir zusammen sei, um sie vor ihren Freunden zu blamieren. Das ist eigentlich sehr traurig, aber für mich hat das etwas Komödienhaftes. Ich bin ja nicht so anders als die anderen, es ist mir nur etwas widerfahren, das man nicht verstecken kann.

derStandard.at: Wie schwer ist es Ihnen gefallen, sich selbst so zu akzeptieren?

Heitz: Ich habe mich nie nicht akzeptiert. Ich kann mich noch erinnern, als ich noch im Krankenhaus lag und ins Bad ging, da habe ich mein Spiegelbild gesehen, und ich habe mir gedacht: "Wow, du siehst echt scheiße aus!" Das war mein Erlebnis mit mir selbst.

derStandard.at: Seit 2005 wurden weltweit mehr als ein Dutzend teilweise oder vollständige Gesichtstransplantationen durchgeführt. Was halten Sie davon? 

Heitz: Grundsätzlich ist der medizinische Fortschritt gut, aber die Transplantierten müssen ihr Leben lang Medikamente schlucken, das würde ich nicht wollen. Man muss aber natürlich abwägen, wer operiert wird. Die Transplantationen wurden an Menschen durchgeführt, die wirklich kein Gesicht mehr hatten. Für mich wären Aufwand und postoperative Folgen zu groß. Mein Gesicht unterscheidet sich ja nicht so extrem seit dem Unfall, weil die Gesichtsstruktur nicht so zerstört wurde. Nur die Haut darüber ist anders.

Ich bin froh, mein eigenes Gesicht zu haben. Nach einer Transplantation würde ich immer an den Spender denken müssen, und dazu gehört sicher eine Palette an Emotionen: von Dankbarkeit bis hin zu Unbehagen. Wenn ich müsste, könnte ich aber mit einem transplantierten Gesicht leben. Ich bin allerdings überzeugt, dass es für Männer einfacher ist, mit einem entstellten Aussehen zu leben, weil Frauen mit dem Herzen sehen, Männer hingegen mit den Augen.

derStandard.at: Wie sehr kämpfen Brandverletzte in Ihrer Selbsthilfegruppe mit ihrem entstellten Körper?

Heitz: Ich selbst bin ja sehr pragmatisch, aber für viele Brandverletzte ist die Angst vor der Ablehnung, die Angst vor dem Anderssein sehr groß. Wir hatten in der Selbsthilfegruppe einen Künstler, der sich nach einer Weile selbst wieder angezündet hat und gestorben ist. Dem versuchen wir durch die Betreuung entgegenzuwirken, aber leider nicht immer erfolgreich. Die Suizidrate unter Brandverletzten ist doppelt so hoch wie in vergleichbaren Probandenkreisen der nicht Brandverletzten.

derStandard.at: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Reaktionen in der Öffentlichkeit?

Heitz: Es gibt welche, die schauen zuerst hin und schauen dann weg, dann gibt es die, die nicht reagieren, und jene, die zuerst schauen, sich dann wegdrehen und, wenn sie glauben, dass man das nicht mehr bemerkt, wieder hinschauen. Einmal ist einer gegen einen Laternenpfahl gelaufen.

derStandard.at: Wird das Anderssein in der Gesellschaft zu wenig thematisiert?

Heitz: Ja, schon. Ich habe zum Beispiel früher immer gedacht, dass es nur zwei Sorten von Menschen nach einem Brandunfall gibt: die Toten und die Überlebenden. Dass es Menschen mit Brandverletzung gibt, war mir nicht bewusst, bis ich selbst auf der Brandverletztenstation gelegen bin. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 17.9.2012)