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Parteigänger der Goldenen Morgenröte bei einem Aufmarsch anlässlich des Falls von Konstantinopel 1453 - im Jahr 2012.

Foto: REUTERS/John Kolesidis

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Parteichef Michaloliakos und seine Frau samt Ring.

Foto: EPA/SIMELA PANTZARTZI

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Die Szene, die die Goldene Morgenröte über die Grenzen Griechenlands hinaus berüchtigt machten.

Foto:ANTENA TV/AP/dapd

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"Wähler haben die Gewalt akzeptiert." (Im Bild: Goldene Morgenröte-Chef Michaloliakos)

Foto:Nicolas Giakoumidis/AP/dapd

Georgiadou: "Es gibt einen roten Faden von der Diktatur zum extrem rechten Spektrum in der ersten Phase der Demokratie bis heute."

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Fast 430.000 Griechen oder 6,9 Prozent der Wähler haben bei der Parlamentswahl im Juni ihre Stimme der rechtsradikalen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) gegeben. Alexis Tsipras, Parteichef des linken Syriza-Bündnis, bezeichnete seine Partei als "die einzige Alternative" zu den Neofaschisten. Für die Politikwissenschafterin Vassiliki Georgiadou, Rechtsextremismus-Forscherin an der Athener Panteion-Universität, kommt der Zulauf zu den extrem Rechten nicht überraschend, wie sie im Gespräch mit derStandard.at erzählt.

derStandard.at: Die Prügel, die Chrysi-Avgi-Sprecher Ilias Kasiaradis vor laufender Kamera ausgeteilt hat, scheinen seine Partei nicht geschwächt zu haben. Warum?

Georgiadou: Die Bereitschaft zur Gewalt schadet Chrysi Avgi nicht. Zumindest in den vergangenen drei Jahren hat diese Partei ganz offen Gewalt als politisches Mittel angewandt und ist gleichzeitig in den Umfragen konstant gestiegen. Ihre Wähler haben die Gewalt akzeptiert. Zudem hat sich in letzter Zeit in der griechischen Gesellschaft, die ohnehin eine relativ traditionelle, von Männern dominierte Kultur ist, ein Wandel in Richtung Duldung politischer Gewalt zugetragen. Viele akzeptieren dass es auf Demonstrationen zu Gewalt kommt, entweder weil sie selbst gewalttätig werden oder weil sie nichts dagegen haben, wenn andere das tun. Fest steht: es existiert eine latente Gewaltbereitschaft, der Erfolg der Chrysi Avgi ist ein Ausdruck dessen.

derStandard.at: Lassen sich in den Reihen der Armee rechtsextreme Tendenzen verorten?

Georgiadou: Nach dem ersten Wahlsieg der Pasok 1981 gab es in der Armee einen großen Demokratisierungsprozess. Man kann deshalb nicht sagen, dass es unter Polizisten und Soldaten mehr Ultrarechte gibt als anderswo. Natürlich gibt es Gruppen von Offizieren, die noch immer positiv über die Militärdiktatur denken. Man kann davon ausgehen, dass Parteien wie Chrysi Avgi dort populär sind. Chrysi Avgi hat sich im Wahlkampf wiederholt positiv über die Diktatur geäußert. Parteichef Nikos Michaloliakos war Anfang der Achtzigerjahre Generalsekretär der Jugendorganisation der ultranationalistischen Nationalen Politischen Union (EPEN), die von Ex-Diktator Georgios Papadopoulos gegründet worden war. Es gibt also einen roten Faden von der Diktatur zum extremrechten Spektrum in der ersten Phase der Demokratie bis heute. Michaloliakos ist ein Symbol dieses Prozesses.

derStandard.at: Hat Griechenland die Militärdiktatur denn genügend aufgearbeitet?

Georgiadou: Griechenland hat weder die Militärdiktatur noch den Bürgerkrieg nach dem Zweiten Weltkrieg aufgearbeitet. Wir beschäftigen uns viel zu viel mit der Antike und der Gründung des griechischen Staates, alles andere wird ausgeblendet. Bis heute lernen die Kinder in der Schule praktisch nichts über die jüngste Geschichte dieses Landes. Man setzt sich nicht mit den kritischen Phasen in unserer Geschichte auseinander. Das ist eines unserer größten Probleme im Bildungsbereich.

derStandard.at: Bisher stand die Partei LAOS für den rechten Rand des politischen Spektrums in Griechenland. Nun stellt sie keinen Abgeordneten mehr im Parlament. Was ist da geschehen?

Georgiadou: LAOS hat im Übergangskabinett von Loukas Papademos Minister gestellt, das ist die Antwort auf ihre Frage. Eine Partei, die sich als Anti-System-Partei verkauft, systematisch gegen Pasok und Nea Dimokratia agitiert und dann Teil des "Systems" wird, kann nicht erfolgreich sein. Damit hat LAOS eine gewisse Grenze bei ihren Anhängern überschritten. Wichtig ist aber auch dass wichtige Vertreter der Partei LAOS verlassen haben und zu Nea Dimokratia übergetreten sind, zum Beispiel Makis Voridis, der Verkehrsminister unter Papademos wurde. Chrysi Avgi hat diese Lücke, die am extremrechten Spektrum entstanden ist, schnell geschlossen.

derStandard.at: Was unterscheidet LAOS von Chrysi Avgi?

Georgiadou: LAOS ist eine radikal-populistische Partei des rechten Spektrums. Chrysi Avgi ist aber eine typische extremrechte Partei. Chrysi Avgi nutzt im Gegensatz zu LAOS Gewalt als politisches Mittel und vertritt irredentistische Standpunkte, akzeptiert also die aktuellen Grenzen Griechenlands nicht. LAOS tritt zwar auch gegen Ausländer auf und ist nationalistisch, Chrysi Avgi ist dabei aber wesentlich aggressiver und stellt sich außerhalb der parlamentarischen Demokratie.

derStandard.at: Gibt es in Griechenland Gesetze, die etwa die Leugnung des Holocaust oder nationalsozialistische Betätigung unter Strafe stellen?

Georgiadou: Nein. Die Demokratie in Griechenland ist keine streitbare Demokratie. Das Gesetz greift erst, wenn man Gewalt anwendet. Es gibt aber kein Prozedere, das zum Verbot einer Partei wie Chrysi Avgi führen könnte. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 22.6.2012)