Freiraum will oft hart erkämpft sein, ob in der Schule, in der Stadt oder der Politik, darin war sich das Podium des "SchülerTalks" in der Brunnenpassage einig.

Foto: Standard/Newald

"Es gibt eine Alibi-Akzeptanz vonseiten der Politiker. Der Kampf um Freiraum ist nach wie vor ein extrem wichtiger", sagt Stephanie Deimel.

Foto: Standard/Newald

"Der Lebensraum von Schülern besteht immer mehr aus vereinzelten Inseln statt aus konzentrischen Kreisen", meint Sabine Gstöttner.

Foto: Standard/Newald

"Meine Schule gibt architektonisch etwas her, aber sie ist nicht funktionell. Ich verbringe dort nicht meine Freizeit", erzählt David Tiefenthaler.

Foto: Standard/Newald

"Nicht nur in ihrer Freizeit, auch in der Schule sollen Jugendliche mitbestimmen können. Querdenken ist dort aber nicht gefragt", sagt Reinhard Herrmann.

Foto: Standard/Newald

"Raumaneignung fängt bei einfachen Dingen an, etwa dass Schulhöfe auch nach der Unterrichtszeit offen und zugänglich bleiben", erklärt Jutta Kleedorfer.

Foto: Standard/Newald

Wien - Freiraum. Dieser schwer festzumachende Begriff steht ganz oben auf der Liste der ältesten und dringendsten Forderungen der Jugend. " Freiraum hat mit Bedürfnissen zu tun", leitete Landschaftsplanerin Sabine Gstöttner den "SchülerTalk" ein. Die Diskussionsveranstaltung des SchülerStandard zum Thema "Entfaltung braucht Platz - Wo finden Jugendliche Freiräume?" fand letzte Woche im KunstSozialRaum der Wiener Brunnenpassage statt. Die Moderation übernahm Standard-Redakteurin Julia Grillmayr,

"Das unmittelbare Wohnumfeld der Schüler hat sich in der letzten Generation sehr verändert", erklärt Gstöttner. Die Vermittlung von Architektur in der Schule sei daher sehr wichtig. In Projekten der Plattform "Was schafft Raum" schult sie Lehrer und Schüler, Raum wahrzunehmen und zu gestalten. "Früher haben sich Jugendliche ihren Lebensraum in konzentrischen Kreisen angeeignet", sagt Gstöttner. Dies sei oft nicht mehr möglich - man wählt etwa eine bessere Schule, die aber weiter weg ist. Das Lebensumfeld bestehe vermehrt aus einzelnen Inseln.

"Raumaneignung" ist immer wieder Schlagwort, wenn es um das Thema Freiraum geht. Jutta Kleedorfer ist dieses Wort etwas zu stark. "Die Revolution findet ja relativ selten in Wien statt", scherzte sie. Kleedorfer koordiniert das Projekt "einfach - mehrfach" der Stadt Wien. Durch Mehrfach- und Zwischennutzung werden blinde Flecken des öffentlichen Raumes zu Frei- und Spielräumen für Kinder und Jugendliche. " Raumaneignung" fängt also bei ganz einfachen Dingen an, etwa dass Schulhöfe auch außerhalb der Unterrichtszeit offen und für die Schüler zugänglich sind.

Der Raum und sein Inhalt

SchülerStandard-Autor David Tiefenthaler bestätigte, dass sich das Schulgebäude als Freiraum leider wenig eignet. "Ich gehe ins Heustadelgasse-Gymnasium, eine sehr neue Schule im 22. Bezirk, die zwar architektonisch etwas hergibt, aber nicht sehr funktionell ist", berichtet Tiefenthaler. "Es ist nicht der Raum, wo ich auch meine Freizeit verbringen würde." "Ich glaube, es liegt eher an Verboten, dass das Potenzial nicht ausgenutzt werden kann", entgegnete Gstöttner. Weniger die Räumlichkeiten als die Inhalte seien das Problem.

Stephanie Deimel vom "bundesweiten Netzwerk Offene Jugendarbeit" (Boja) sieht einige Bedrohungsszenarien für Freiräume - das hänge von der Gemeinde und der politischen Lage ab. "Wir sind nicht mehr Feindbild", spricht sie im Namen des Konzepts der offenen Jugendarbeit, durch das sich die Forderung nach Freiraum wie ein roter Faden zieht. Nach wie vor sei aber nicht garantiert, dass genügend Raum zur Verfügung steht. Deimel kritisiert eine "Alibi-Akzeptanz" vonseiten der Politiker und hält den Kampf für Freiräume nach wie vor für "extrem wichtig". Junge Menschen hätten das Recht, den öffentlichen Raum mitzugestalten, und es sei wichtig, sie mit einzubinden und ernst zu nehmen, resümiert sie. " Vor über zehn Jahren war Partizipation das Schlagwort in der Stadtpolitik", erzählt Reinhard Herrmann, Organisator der "workstation" im Wiener WUK. Davon hätte man sich aber wieder verabschiedet.

Die meiste Zeit, die man Kindern und Jugendlichen abverlangt, sei die Schulzeit. Dort sollten sie frei mitbestimmen können. Das dürfe nicht allein in die Freizeit verlagert werden. In der Schule sei Querdenken nicht gefragt, man müsse sich Lehrerwünschen unterordnen, kritisiert Herrmann.

Die Brunnenpassage ist für diese Worte das passende Setting: " QuerdenkerInnen" steht neben "Freiraum" und "Berührungspunkt" an die Wand geschrieben.

Ein optimistisches Schlusswort fand ein Publikumsgast, der appellierte, Freiraum als Haltung zu leben: "Wenn man Leute will, die sich Freiräume nehmen, sollte man bei der Erziehung ansetzen." (Antonia Reiss, DER STANDARD, 20.6.2012)