Der Bildbeweis: Brotzeit, Filiale in der Raffles City.

Hauptspeisenportion Käsekrainer, Apfelschorle: 31,80 Singapurdollar (grob geschätzte 25 Euro).

Foto: Harald Fidler

Aber bevor wir uns der fidelen Käsekrainer zuwenden: Miniburger und Frittes in der Long Bar des Raffles, Portion für 23 Singapurdollar.

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Luftaufnahme: Singapore Sling, Satespießchen, Garnelenrollen im Raffles.

Foto: Harald Fidler

EURO, klar, in der Brotzeit: Das deutsche Team ist, nach den in diesen Breiten ausgehängten Fahnen, ausgesprochen beliebt.

Foto: Harald Fidler

So stellt man sich in Singapur ein kontemporäres deutsches Lokal vor.

Foto: Harald Fidler

So kamen meine Käsekrainer, Hauptspeisenportion, mit zweimal Senf und Ketchup.

Foto: Harald Fidler

Und, bitte, wo ist hier nun der Käse?

Foto: Harald Fidler

Man sollte es doch für möglich halten: Menschen stellen sich in Singapur an, um in einem mäßig interessant gestalteten Lokal namens Brotzeit Obazda, Jägerschnitzel und Kaiserschmarrn mit Paulaner und Apfelschorle hinunterzuspülen, die übrigens auch genauso deutsch in der Speisekarte stehen.

Nicht sauber, sondern rein

Geradezu perfekt also für einen nicht ganz freiwilligen, aber umso lehrreicheren Schmecks-Abstecher in jene Stadt, in der Supermärkte keine Kaugummis verkaufen. Schon um die Kunden vor widerrechtlichen Akten zu bewahren. Der Exotikfaktor von Strafen für das illegale Ablegen von ausgelutschter Beißware hat freilich stark darunter gelitten, dass die inzwischen auch in Hamburg drohen, wenn ich das richtig gelesen (und behalten) habe. Kleine Welt.

Südostasien heißt natürlich Streetfood, weiß schon. Aber auch in Singapur, oh weltgewandete Userin, oh weit gespeister User? Ich sehe unten, Sie sagen eindeutig: ja!. Blöd, dass mir wegen Umbuchung praktisch keine Zeit mehr blieb, Sie rechtzeitig zu fragen. A propos: Twitteraccounts her, @schmecks sucht immer Auskenner.

Ohne sie stand ich vor der Wahl steht: Sechs Stunden lang den Flughafen leershoppen? In der Nichtsaubersondernreinmetropole einen richtig authentischen Straßenstandboxenstopp einlegen, aber welchen bloß? Oder sich doch rasch in einer der bis zu den Lichtschaltern wunderbar authentischen Raffles-Suites erfrischen und dabei ein wenig mehr über ein schmuckes Traditionshotel erfahren, das am 16. September 2012 immerhin seine ersten 125 Jahre feiert? Und dann noch auf eine provokante Wurst gegenüber.

Uh, but!

Ich weiß leider, wie ich in solchen Fällen verfahre. Vor allem, wenn es bei der Gelegenheit in der Long Bar des Raffles noch ein paar Miniburger, Satespießchen, Garnelenmangotempurarollen abzustauben gilt. Alle sehr anständig aber, ja, ich weiß: kein authentisches Streetfood.

Ich indes würde höchstens über die so gar nicht handgeschnitzten Frittes eine Braue kräuseln. Aber braucht nicht gerade der Fidler einmal pro Dekade Püreestangen von einem der schlimmsten Fastfoodglobalisten (Name der Redaktion bekannt), der übrigens inzwischen gar in Ubut (Eat, Pray, Love und so, Bali) eine Außenstelle eingerichtet hat, in Singapur sowieso ungezählte, besonders saubere natürlich? Raffles gebührt unter einem Schippel Gründe auch dafür Dank, dass ich mir den Plastikwirtenbesuch in diesem Jahrzehnt sparen kann.

Und wo wir schon bei der leider selten leicht von der Zunge gehenden Authentizität sind: Authentischer als einen Singapure Sling hier, im Raffles, geht praktisch nicht. Der wurde genau in diesem Etablissement erfunden. Bartender Ngiam Tong Boon soll den angeblich nicht nach Alkohol aussehenden, mir doch zwei Ecken zu süßen Cocktail aus Empathie fürs weibliche Gemüt kreiert haben, damit auch die Damen (quasi unentdeckt) in Gesellschaft einen zwitschern können, obwohl ihnen das 1915 nicht geziemte.

Slingel, du

All jenen, die dieser Historie nachschmecken wollen, haben die interessanterweise aus Quatar, Saudi-Arabien und den USA stammenden Eigentümer des Raffles die einst von Herrn Ngiam Tong Boon beschüttelte und berührte Long Bar nachbauen lassen. Sehr detailbemüht von den inzwischen elektrifizierten Fächerreihen an der Decke bis zu den Motten aus der retrokolonialen Rattanbepolsterung. Aber da wollen wir nicht slingelig sein.

Damit sich nicht alleine die Bar, sondern jedenfalls auch der Spirit der Kundschaft traditionsbewusst wie progressiv entwickeln, können sich Gast und Gästin inzwischen durch vier Marken-Gin-Slings sowie sechs Jahreszeiten-, Courtyard- und Tropical-Slings kosten, wobei mir der Spring Sling sprachlich am besten gefällt. Ich möchte ihn nur nicht als letzten in der Reihe bestellen müssen.

Gekostet hab ich alleine den Klassiker. Ich hatte ja noch Feldforschung außerhalb der Hotelanlage vor mir. Land und Leute und so, das wünschen sich Reiseredaktionen in aller Welt. Diese Exkursion brauch ich denen aber gar nicht anzubieten. Und das wohl zurecht.

Verschleppte Vegetarierinnen

Gleich hinter dem Raffles hätten sich tatsächlich ein paar Lokale gefunden, die mir nach einer Mischung aus - relativ - authentischem Street- und Fastfood ausgesehen hätten, was ja kein Widerspruch sein muss. Aber da war eben noch dieses Lokal namens Brotzeit, das mir beim Einbiegen Richtung Raffels-Vorfahr-Schleife ins Auge gestochen war. Und nach zwei Miniburgern, ein paar Pommes, sechsiebenacht Satespießchen und einem Garnelentempura kann es einem schon noch um die Wurst gehen. Nach einem Singapore Sling sowieso.

Also: Was, bitteschön, wäre authentischer für den in Wien wohnhaften Gscherten, als eine Käsekrainer? Die steht tatsächlich auf der Karte des Brotzeit. Wie Henkell trocken und rosé (je 50 Singapurdollar die Flasche) und Veltliner (60) und Riesling (68) vom Stift Göttweig. Wie Wiener Schnitzel, Jägerschnitzel, Schweinshax'n, sogar gebackener Camembert, der Horror fast aller aus Deutschland zugereisten und in österreichische Wirtshäuser verschleppten Vegetarierinnen.

Berlin, Bayern, Burgenland, Backhendl

Auch Backhendelsalat steht auf dieser Karte, von dem mitreisende Berlinerinnen aus Bayern mit abgeklungener Burgenlandconnection als absolut bestes österreichisches Gericht träumen, hier sieht er allerdings eher chinesisch aus. "Fladen Pizza" scheint mir jetzt nicht so ganz typisch, aber was ist im deutschen Sprachraum schon kulinarisch authentisch? "Mozzarella Salat" jedenfalls längst.

Und die Käsekrainer. Wiewohl mich einst am Hohen Markt, am angeblich ja besten Würstelstand der Welt, die Käsekrainer weniger interessierte als die Prachtfrau, die sie aß, und selbst als die Tiroler (Wurst) auf meinem Pappteller, die angeblich auch als Waldviertler geläufig ist, aber da kann ich mich jetzt wirklich täuschen. Rauchige Wurst eben, dunkel und schön.

Hoch, Markt

Vielleicht fühlten die im Brotzeit mit der Gastwirtschaft befassten Damen ja feiner als ihre ans Handgelenk geschnallten Ordertablets aussahen, und sie wollten mir die Erinnerung an den Hohen Markt austreiben. Vielleicht hatten sie mehr die Aussprache als die Bedeutung der Einträge auf ihrer Speisekarte geübt. Vielleicht aber hab ich einfach wieder einmal beim Bestellen undeutsch genuschelt. Oder sind Käsekrainer in Singapur gar doch nicht so authentisch?

Im Brotzeit kommen sie mit eher langweiligem (also für viele österreichische Gasthäuser durchaus authentischem) Erdäpfelsalat (wiewohl er daheim süßer wäre, das könnte auch Asiaten gefallen). Und mit eher laschem Sauerkraut - Kimchi wäre eine schöne, ähnlich authentische, aber ein bisschen näher liegende Alternative. Aber vor allem: In meiner Batterie kleiner, angeblicher Käsekrainer fanden sich allerhöchstens Spurenelemente ihres an sich ja konstitutiven Merkmals Käse. Was würden erst die Slowenen dazu sagen, die erst unlängst den Alleinvertretungsanspruch auf die Krainer erhoben haben?

Viel Käse in der Wurst

So, liebe Brotzeiter, werdet ihr nie und nimmer die nächste Line Extension des Brotzeit schaffen, die ja eigentlich auf der Hand läge: Beim nächsten Stopover rechne ich fix mit dem ersten Flagship Store der echt österreichischen Restaurantkette namens "Eitrige". Im Brotzeit saß ich übrigens mit einem anderen Österreicher am Tisch. Der baut in Singapur Kräne und war mit seiner, wie er sagte, ortsansässigen Chefin in den Lokal.

Freundinnen und Freunde, ich darf Euch warnen: Ohne ordentlich Käse in der Wurst bringt ihr "Eitrige" einfach nicht authentisch auf die Straße. Gerade da ist Schmeck's ja leuchtendes Beispiel.

Wie gut, dass es schreibende Userinnen und User gibt: Wie man Zwischenstopps in Fernost kulinarisch sinnvoll nutzen kann, berichtet Norbert G. Schmidt aus Kuala Lumpur. Demnächst in diesem kleinen, dreckigen Fressblog.

Danke!

Und wie gut, dass es kundige, weltgewandte Esserinnen und Esser gibt, die diesen kleinen dreckigen Fressblog unbeirrbar lesen: Danke für die sachdienlichen Hinweise! Gern auch an @schmecks!