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Der Energiesektor bleibt in Putins Hand. Der Konzern Rosneft wird von einem Vertrauten geleitet, die Energiepolitik nun auch.

Foto: AP/Mikhail Klimentyev

Moskau - Wladimir Putins Mann fürs Öl heißt Igor Setschin. Jahrelang hat der 51-Jährige als Vizepremier die Regierungskommission für Energiefragen geleitet. Die Regierung hat er im Zuge der Kreml-Rochade wie viele Putin-Getreuen verlassen. Seinen Einfluss auf den Energiesektor behält er - durch eine neue Kommission.

Offiziell ist das Gremium direkt Putin unterstellt. Der Präsident wird freilich nur in Ausnahmefällen die Sitzungen leiten, die Tagesarbeit verrichtet sein Sekretär Setschin. Die Kompetenzen des neuen Organs sind praktisch unbegrenzt: Die Kommission formuliert die Eckpunkte bei der Entwicklung des Energiesektors, sie ist für die Gesetzgebung in dem Bereich und sogar für die Steuer- und Tarifpolitik zuständig. Zudem vergibt sie die Lizenzen für die Ausbeutung von Lagerstätten.

Eigentlich sind das alles Prärogativen der Regierung. Doch deren Kommission unter Leitung des langjährigen Wirtschaftsberaters von Medwedew, Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, wurde mit der Gründung der präsidialen Kommission entmachtet. Gegensätze zwischen den beiden Organen gebe es nicht, erklärte ein Setschin-Vertrauter: Die präsidiale Kommission übernehme die strategische Führung des Sektors, die Regierung sei für operative Fragen verantwortlich. "Die endgültigen Entscheidungen trifft Putin. Wer sein Geschäft für mehrere Jahre im Voraus plant, braucht seine Garantien. Diese Kommission ist die Chance, direkt mit dem Präsidenten zu sprechen", sagte ein Konzerneigner anonym der Zeitung Kommersant und verdeutlichte damit die Hierarchie.

Für Medwedew bedeutet das eine harte Schlappe. Der Energiesektor generiert rund 500 Milliarden US-Dollar und damit 30 Prozent des russischen BIP. Zugleich stammt ein Großteil der russischen Haushaltseinnahmen direkt oder indirekt aus dem Öl- und Gassektor. Die Kontrolle ist der Regierung nun entzogen. Auch die von Medwedew forcierte Privatisierung liegt damit in dem Bereich wohl auf Eis - Setschin gilt als strikter Gegner dieser Politik.

Mit Setschin hat Putin einem engen Vertrauten die Kontrolle über den lukrativen Öl- und Gassektor übergeben. Setschin gehört der sogenannten Geheimdienstler-Fraktion um Putin an und begleitet diesen bereits seit Anfang der 90er-Jahre, als Putin noch stellvertretender Bürgermeister in St. Petersburg war. Setschin gilt als treibende Kraft hinter der Verfolgung Michail Chodorkowskis und der Zerschlagung von Yukos.

Auf dessen Trümmern wurde schließlich Russlands größter staatlicher Ölkonzern Rosneft aufgebaut, deren Führung Setschin nach seinem Rücktritt aus der Regierung Ende Mai offiziell übernommen hat. Dass Setschins Ambitionen über den Posten eines reinen Konzernchefs hinausgehen wurde aber schnell deutlich. Unter seiner Führung wurde ein " Klub" der Ölkonzerne ins Leben gerufen. Eben jener Klub hat dann auch um die Gründung der präsidialen Kommission gebeten.

An der neuen Doppelfunktion des Putin-Vertrauten gibt es innerhalb der Branche dennoch scharfe Kritik: "Unglaublich! Der Chef eines Ölkonzerns, also ein gewöhnlicher Marktteilnehmer erhält das Recht bei seinen Konkurrenten Materialien anzufordern und Ministern, dem Kartellamt und dem Geheimdienst Anweisungen zu er erteilen", ereiferte sich ein Top-Manager gegenüber der Tageszeitung Wedomosti. Die Kritik erfolgt freilich anonym. Zu groß ist die Angst vor dem mächtigen Beamten.

Setschin ficht das ohnehin wenig an: Konkurrenz gebe es im Ausland, sagte er einmal. "Bei uns sind alle Partner." Gut möglich, dass die Konkurrenz tatsächlich bald kleiner wird: Vieles deutet darauf hin, dass Russlands Energiesektor neu konsolidiert wird. Die jüngsten Spekulationen über eine Übernahme von TNK-BP durch Rosneft dürften da nur der Anfang sein. (André Ballin, DER STANDARD, 19.6.2012)