Tunesische Kinder schwänzen die Schule und spielen in der Villa von Imed Trabelsi: "Das gehört jetzt uns, dem Volk!"

Foto: Gianluca Wallisch

Tunis - Ein Besuchsprogramm für Tunis umfasst die antiken Stätten in Karthago, einen Pfefferminztee im malerischen Café des Nattes und einen Bummel durch den pittoresken Bazar. Die eigentlichen Highlights stehen aber in keinem Reiseführer: die geplünderten Villen des Clans von Ex-Machthaber Zine El-Abidine Ben Ali.

"Es gibt so viele davon", sagt der Fahrer lachend und biegt in die Rue Hannibal ab. "Dort vorne hatte Imed Trabelsi, ein Neffe von Ben Ali, einen seiner Paläste." Dieser entpuppt sich dann nicht gerade als herrschaftliches Anwesen, aber doch als stattliche Villa - wobei: stattlich, das war früher. Jetzt fehlen alle Fenster und Türen, das obere Stockwerk ist ausgebrannt, auf den Mauern außen und innen prangen bunte Graffiti.

In den Tagen der Revolution vor eineinhalb Jahren, als Ben Ali und seine Vertrauten das Land fluchtartig verließen, enterte die Bevölkerung zahlreiche Häuser des verhassten Clans. Nur was niet- und nagelfest war, blieb. Alles andere wurde demontiert: Möbel, Fenster, sogar Stromleitungen wurden aus der Wand gerissen und Fußböden herausgebrochen.

Dann kamen die Sprayer, dar unter echte Künstler, die den internationalen Vergleich kaum zu scheuen bräuchten. "Das hier ist kein Haus, das hier ist eine Kunstgalerie", ist zu lesen. Stimmt. Aggression versus Ironie: Hunderte Graffiti decken die ganze Bandbreite politischer Meinungsäußerung ab.

Zwischen den Glasscherben und den Putzbrocken und auch draußen im Garten mit Pool und ausgebranntem Geländewagen spielen Buben. "Das gehört jetzt uns, dem Volk!", erklärt einer. "Wir sind oft nach der Schule hier. Manchmal auch statt der Schule." Lachen, Schulterklopfen.

Und, wie fühlt man sich als "das Volk"? "Wir wissen nicht, was morgen sein wird. Früher wussten wir es. Das war besser." Bedrückend - auch wenn dieser Satz vielleicht nur einem Erwachsenen nachgeplappert war. (gian, DER STANDARD, 19.6.2012)