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Endlich, endlich durfte der Gärtner beweisen, dass das Aufbewahren einer 25 Jahre alten Winterjacke gegen alle innerfamiliären Widerstände sinnvoll wie werterhaltend ist.

Foto: APA/EPA/OLIVIER HOSLET

Gärtnerinnen und Gartler eint manch eine schrullige Eigenschaft. So findet man beim Studium neuerer und älterer Literatur, dass Menschen, die gerne gärtnern, auch oft ein Faible für alte Winterjacken haben. Auf Flohmärkten suchen sie nichts - aber finden stets einen grellbunten Anorak, einen waidmanngrünen Rock oder eine zentnerschwere Winterjacke, die auch schon Stalingrad überlebt hat.

Wir haben nichts gegen diese Schrulle, schmunzeln leise darob und machen uns an eine klassische Junitätigkeit, das Einkaufen und Einsetzen einer neuen Rose. Dieser verdammte, verfluchte, mehrfach zum Teufel geschickte Spätfrost im Frühjahr hat ja tatsächlich das geschafft, wozu selbst Laienhände zuvor nie imstande gewesen wären - er hat die Rosen getötet. Nun ist unter Gartlern hinlänglich bekannt, dass Duftrosen auf Kosten ihrer Vitalität duften. Die Züchter geben sich zwar Mühe, aber es scheint dabei zu bleiben, dass der Duft nur den heiklen Rosen vorbehalten bleibt.

Restleben

Der milde Winter, das bisserl Frost, alles schien auf ein wunderbares Rosenjahr hinzudeuten. Die Rosen schickten Vis vitalis in die Augen, die trieben vorsichtig an, und als sich die ersten Blätter entrollten, fegten minus sechzehn Grad sämtliche Austriebe davon. Die Hoffnung stirbt zuletzt, die englischen Duftrosen durften in ihren Beeten bleiben und bekamen drei Monate Zeit zu beweisen, dass doch noch etwas Restleben in ihnen schlummerte.

Möglicherweise schlummert es noch immer, aber mittlerweile im Rosenhospiz, wo auch der Oleander Zeit und Raum bekommt, den Gärtner mit Überleben zu überraschen. Doch nur, weil die Rosen möglicherweise den Frost nicht überlebt haben, braucht das Projekt nicht auch zu sterben. Also müssen neue Rosen angeschafft werden.

Die junge Frau im Verkauf, ich möchte sie kurz Frau Dehner nennen, führt lebhaft schildernd durch ein schier endloses Rosensortiment, nimmt stumm nickend das Lamento des Kunden zur Kenntnis, hört sich die Rahmenbedingungen des zukünftigen Standorts an und empfiehlt mit sicherer Stimme ADR-zertifizierte Rosen. Sie seien robuster als andere, hätten sich in elf Prüfungsgärten über drei bis vier Jahre hindurch ohne Spritzen bewährt und wiesen einen hohen Zierwert aus.

Rosenmonster

Die kleinen Stöckerln in den kleinen Küberln waren wohlfeil und hübsch anzusehen. Aber wer seit Jahren von einer duftenden, mannshohen Pracht an der Hausmauer träumt, möchte nicht noch einmal mehrere Jahre warten. Und dann lehnte sie da: Dicht, gesundes Grün, unzählige Knospen, gut zwei Meter hoch - ein Traum, der zart duftend in sämiges Rosa gefüllt ganz Gersthof vor Demut auf die Knie bringen wird.

Auf den Knien der Verzweiflung war auch der Käufer beim Versuch, das Rosenmonster irgendwie im Auto unterzubringen. Irgendwie hat es Jasmina, so heißt das wohlgestaltete Teil, an ihren finalen Standort geschafft und musste nur noch umgetopft werden.

Und endlich, endlich durfte der Gärtner beweisen, dass das Aufbewahren einer 25 Jahre alten Winterjacke (grauer Jeansstoff, schicker Lammfellkragen!) gegen alle innerfamiliären Widerstände sinnvoll wie werterhaltend ist. Ohne diese Winterjacke, die bei gefühlten dreißig Grad im Juni über ein kurzes Sporthoserl getragen mächtig was hermacht, wäre das Umtopfen gänzlich unmöglich gewesen.

Sie fing alle dornigen Attacken der widerspenstigen Jasmina ab, bot dem Gärtner Schutz und heile Haut und freute sich, nach ihrem Wirken als modische Torheit in den späten 80ern nun als gärtnerische Notwendigkeit zum Einsatz zu kommen. Mich sieht kein Flohmarkt. (Rondo, DER STANDARD, 15.06.2012)