Der König ist tot,...

...es lebe der König?

Madrid - 24 Stunden nach dem Gewinn des 29. Titels trennte sich der spanische Fußball-Meister Real Madrid von Trainer Vicente del Bosque und Fernando Hierro. Der Klub-Vorstand entschied in der Nacht zum Dienstag, die auslaufenden Verträge des Coaches und des Abwehrchefs nicht zu verlängern. Als möglicher neuer Trainer wird der Portugiese Carlos Queiroz gehandelt.

Queiroz der Nachfolger?

Der derzeitige Co-Trainer von Alex Ferguson bei Manchester United gilt in Portugal als "Vater der goldenen Fußballer-Generation". Queiroz hat Stars wie Luis Figo oder Rui Costa entdeckt und zuletzt mit Neo-Real-Kicker David Beckham bei ManU zusammengearbeitet. Vor seinem Engagement in Manchester war er als Teamchef von Südafrika von September 2000 bis März 2002 im Einsatz und schaffte dabei mit seiner Auswahl die WM-Qualifikation.

Präsident rechtfertigt Rausschmiss

Florentino Perez, der Präsident von Real Madrid, bestätigte am Dienstag das Interesse des Vereins an dem portugiesischen Trainer Portugiesen Carlos Queiroz als Nachfolger von Vicente del Bosque mit den Worten: "Er entspricht unseren Vorstellungen". Der Klubchef rechtfertigte den Rausschmiss des Meistermachers so: "Del Bosque wirkte verbraucht. Wir wollen einen Trainer haben, der mehr Wert auf die Taktik legt. Damit wird unsere Mannschaft noch stärker".

Glorreiche Ära

Mit dem Rauswurf von Del Bosque und Hierro zogen die Königlichen einen Schlussstrich unter eines der glorreichsten Kapitel der 101-jährigen Vereinsgeschichte. Der Trainer hatte mit Real zwei Meistertitel und zwei Mal die Champions League gewonnen, der Verteidiger holte mit dem "weißen Ballett" unter anderem drei Titel in der europäischen Königsklasse.

Glanz und Ausstrahlung

Del Bosque war mit seiner ruhigen und zeitweise griesgrämigen Art ein Gegenpol zum Star-Gehabe seiner Schützlinge, aber ihm fehlten der Glanz und die Ausstrahlung, die in Zeiten des Marketings bei einem Top-Klub wie Real Madrid offenbar unerlässlich sind. Dabei erreichte der 52-Jährige, was niemand erwartet hatte: Er brachte eine Ansammlung von Superstars wie Ronaldo, Zidane, Figo, Raul und Roberto Carlos, die in der Welt ihresgleichen sucht, unter einen Hut. Del Bosque kam sogar mit jenen Kickern zurecht, die anderswo mit ihren Trainern auf Kriegsfuß standen.

"Wäre noch gern geblieben"

"Man hätte es mir früher sagen können, dass ich keinen neuen Vertrag bekomme. Ich wäre gerne noch geblieben", meinte Del Bosque. Er widmete dem Verein fast sein ganzes Leben. 35 Jahre stand er in den Diensten des Rekordmeisters, zunächst als Spieler, dann als Nachwuchscoach und schließlich als Cheftrainer. Ein Angebot der Madrilenen auf einen Job in der technischen Direktion des Klubs lehnte er ab.

Hierro wie vom Blitz getroffen

Während Del Bosque mit seinem Hinauswurf gerechnet hatte, traf es Hierro völlig überraschend. Der 35-Jährige, der 14 Jahre lang den "Königlichen" angehört hatte, dürfte vom Vereinschef dafür bestraft worden sein, einen Spieler-Aufstand gegen die Klubführung angeführt zu haben. Die Akteure hatten sich nach dem Titelgewinn geweigert, eine zweite Ehrenrunde im Stadion zu drehen und drohten gar mit einem Boykott des feierlichen Empfangs im Rathaus, laut spanischen Medienberichten aus Protest gegen die geplante Entlassung von Del Bosque.

Bestrafung für kritische Haltung

Dabei galt die Vertrags-Verlängerung des Innenverteidigers als Formsache. Aber Hierro hatte zuvor schon die Verpflichtung von David Beckham kritisiert, der Aufstand in der Kabine scheint das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben. "Hierro hat die Altersgrenze erreicht," begründete Manager Jorge Valdano die Entscheidung. Hierro hatte in 14 Jahren 601 Mal das Real-Trikot getragen. Er wird nur von Manolo Sanchis (711), Santillana (643) und Francisco Gento (605) übertroffen.

Real ein Tollhaus

Der Abschied von Del Bosque und Hierro ließ sogar den Wirbel um die Verpflichtung des Engländers David Beckham vergessen. "Seit dem 29. Titel gleicht Real einem Tollhaus", schrieb das Sportblatt "As", das weiters fragt: "Was wäre nur passiert, wenn der Klub den Titel verpasst hätte?" Und ein nicht genannter Profi stellte die Frage: "Was hätte er noch alles gewinnen müssen, um bleiben zu können?" Auch die Fans zeigten Reaktionen. Auf den Wänden des Trainingszentrums standen Graffiti, mit denen Perez als "Verräter" beschimpft wurde.(APA/dpa/Reuters)