Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen kann offenbar ein "Geschäft" sein. Deshalb gibt es für bekannte Betreuungseinrichtungen - wie etwa Caritas Socialis, evangelische Diakonie oder Volkshilfe - eine unerwartete Konkurrenz. Diese entspricht den modernen Vorstellungen von Privatisierung und Wettbewerb: Sie schaffen einen "Markt", senken Kosten und entlassen aus moralischer Verantwortung. Der erwünschte Nebeneffekt ist, dass Flüchtlinge sich in dem Gastland kein Paradies erwarten sollen, was man ihnen ja häufig unterstellt.

Ein Vorzeigemodell für den neuen Umgang mit Asylwerbern und Flüchtlingen ist am Währinger Gürtel 96 in Wien. Dort hat der Verein "Tempus" unter anderem 23 Frauen und Männer und 24 Kinder aus Tschetschenien aufgenommen. Zumeist ist das angebotene Essen ungenießbar - wird aber voll verrechnet -; die Unterbringung schlechter als zu Zeiten des Industrieproletariats in den Zinshäusern des 19. Jahrhunderts; sanitäre Anlagen meist desolat oder gleich ganz kaputt.

Beschwerden der Betroffenen über schlechte Behandlung werden mit Drohungen beantwortet; die beliebteste ist jene, dass jeder, dem es hier nicht passt, nach Tschetschenien zurückkehren könne. Helfern, die die Lage dieser Menschen zu bessern wünschen, wird der Zutritt ins Haus verwehrt.

Am ärmsten sind die Kinder, besonders jene im Säuglingsalter. Da sie das Essen nicht vertragen, sind die Folgen Mangelerscheinungen und Brechdurchfall; beide belasten den schlechten Gesundheitszustand der Kinder noch mehr. Das monatliche Handgeld von 40 Euro pro Person reichte nicht aus, eine adäquate Ernährung zu sichern. Inzwischen ist selbst dieses Handgeld zweimal gekürzt worden.

Um die schlechten Aufenthaltsbedingungen gruppieren sich in erfindungsreicher Abwechslung Gemein- und Grobheiten der "Betreuer". Sie lassen an Lagersituationen erinnern, von denen man glaubte, dass sie der Geschichte angehören. Unter den Schikanen leiden die Flüchtlinge am meisten. Deshalb sind sie in den Hungerstreik getreten. Sie sind doch aus einem Krisengebiet geflohen, weil sie hofften, irgendwo wäre wenigstens ihre Menschenwürde gewahrt - immerhin ein Menschenrecht, das in Österreich Verfassungsrang besitzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2003)