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Die Zahl der Verkehrstoten kann bei Einführung des Punkteführerscheins um bis zu 150 pro Jahr reduziert werden.

Foto: apa/pfarrhofer
Twelve points, douze points - das vom Eurovisions-Songcontest bekannte Höchstmaß könnte bereits ab Herbst auch Autofahrern das Herz höher schlagen lassen. Allerdings nicht als Gewinner, sondern als Verlierer. Bei zwölf Punkten soll er weg sein, der Führerschein. Vorausgesetzt, Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FP) setzt durch, was er nun überraschend und ohne Absprache mit dem Koalitionspartner VP angekündigt hat: den Punkteführerschein.

Verwunderlicher Alleingang

Gorbachs Alleingang sei "überraschend und verwunderlich", hieß es Montag auf STANDARD-Anfrage im Büro von VP-Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka. Die VP signalisiert zwar grundsätzlich "Gesprächsbereitschaft", aber "es wird keine Schüsse aus der Hüfte geben". Ob der Punkteführerschein, wie Gorbach plant, bereits im Herbst im Parlament beschlossen werden könnte? "Das wird knapp", so Kukackas Einschätzung. Auf keinen Fall werde man einem System nach deutschem Modell zustimmen.

Bisher hatte Gorbach den Punkteführerschein als "nicht notwendige Maßnahme" bezeichnet. Martin Blum vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kann sich den Gesinnungswandel nur so erklären: "Das Ziel des Ministers ist ein deutlicher Rückgang von Verkehrstoten. Doch heuer starben bereits 357 Menschen bei Verkehrsunfällen, das sind nicht weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres." Gorbach müsse etwas unternehmen, um mit seinem "nationalen Verkehrssicherheitsplan" nicht zu scheitern.

150 Tote weniger

Der VCÖ gehört seit Jahren zu den deklarierten Verfechtern des Punkteführerscheins. Laut Berechnung des Verkehrsclubs könnten damit jährlich rund 150 tödliche Unfälle verhindert werden.

Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) ist pro Schlechtpunktesystem. "Es geht darum, mehrfach auffällige Lenker, die durch extreme Raserei, gefährliches Überholen oder als Alkofahrer andere Verkehrsteilnehmer gefährden, aus dem Verkehr zu ziehen", so KfV-Direktor Othmar Thann. Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass ein Prozent aller Autofahrer ins Zwölfpunktedilemma rasen.

Punktekarte

Nach Gorbachs Vorstellungen soll jeder Fahrer eine Punktekarte erhalten. Ist sie halb voll, wird es Nachschulungen geben. Bei drei Viertel der Punkte ist temporärer Führerscheinentzug vorgesehen. Wenn die Karte voll ist, müssen Betroffene auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Wer wieder selbst fahren will, muss nach einer Auszeit die gesamte Fahrausbildung erneut machen.

ARBÖ dagegen

Der ARBÖ ist gegen den Punkteführerschein. Ungerechtfertigte Doppelbestrafung sei zu befürchten. "Zuerst werden Verkehrssünder für aktuell begangene Delikte bestraft und nach Punkteüberschreitung ein zweites Mal durch Führerscheinentzug", kritisiert ARBÖ-Präsident Herbert Schachter. Und: Weil Führerscheininhaber dann den Rechtsweg voll und ganz ausschöpfen würden, wären Höchstgerichte mehr belastet.

Der ÖAMTC weist darauf hin, dass Verkehrsrowdys in Österreich ohnehin schon zentral erfasst werden und mit langem Führerscheinentzug und höheren Strafen zu rechnen haben. Ein neues System für Schwerdelikte sei unnötig. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2003)